COP 23: So klimafreundlich ist die Klimakonferenz

Fahrräder, E-Shuttles und Bioessen: Die Klimakonferenz will selbst so wenig CO2 erzeugen wie möglich. Doch am Ende gibt es trotzdem einen Ablasshandel.

COP 23: So klimafreundlich ist die Klimakonferenz
Foto: dpa/Ekkehard Rüger

Bonn. Im Rücken die 20 Meter große Weltkugel, vor sich einen Bottich mit Sägespänen: So naturnah und klimafreundlich können Männer in der Bonner Rheinaue pinkeln. Das Bundesentwicklungsministerium macht es möglich. Weil die Wasserversorgung auf dem Gelände mit dem weltweit größten Globus schwierig ist, bieten die Mobiltoiletten in Rustikaloptik die Gelegenheit zum Wasserlassen mit Holzaroma. Angeblich ist das Zusammentreffen von Kohlenstoff und Stickstoff zugleich die Basis für einen Premium-Kompost.

Draußen am Zaun steht Erzieherin Ursula Wagner mit Kindern des nahen Betriebskindergartens Kiku Kinderland. Die Kleinen wissen schon, um was es bei der Konferenz geht: „Wir müssen besser auf unsere Erde aufpassen“, sagt Nathan. „Besonders auf die Bäume und die gute Luft.“

25 000 Teilnehmer der COP 23 sollen das gewährleisten — und müssen dazu erst einmal aus der ganzen Welt anreisen, meist mit dem Flugzeug, dann verpflegt, untergebracht und durch die Stadt transportiert werden. Und sie besuchen Veranstaltungsorte, die aus dem Boden gestampft wurden, weil Bonn für die größte internationale Konferenz, die Deutschland je erlebt hat, nichts Adäquates zu bieten hat. Das Treffen, das sich dem Schutz des Klimas verschrieben hat, ist selbst ein Emissionsmonster.

Der Mann, der dieses Monster seit Jahren bekämpft und im Zaum hält, heißt Dennis Winkler. Er leitet das Nachhaltigkeitsteam des UN-Klimasekretariats UNFCCC. 2011, als er bei der COP 17 in Durban anfing, hatte die Konferenz am Ende mehr als 2,4 Millionen Din-A4-Blätter an offiziellen Dokumenten unter den Besuchern verteilt. Ein Jahr später in Doha war die Zahl auf 260 000 Blatt Papier gedrosselt. „Wir sind nicht perfekt und offen für Feedback“, sagt er. Aber er und sein Team arbeiten beharrlich daran, an immer mehr Stellschrauben zu drehen, um die Emissionen zu mindern.

Anna Stünzi schwingt sich vom Fahrrad und schiebt die letzten Meter zur Radstation vor der Bonn Zone, in der sich Regierungen, aber auch Nichtregierungsorganisationen präsentieren. Die Studentin der Technischen Hochschule Zürich wird selbst einen Vortrag zur fairen Verteilung von Klimabelastungen halten. Das Rad nutzt sie, um schnell von der Bula Zone, wo die Verhandlungen geführt werden, durch die Rheinaue zur Zeltstadt der Bonn Zone zu gelangen. Andere Konferenzteilnehmer greifen auf eines der zahlreichen E-Shuttles zurück, die zwischen den beiden Zentren hin und her pendeln.

Man kann sich bei der Suche nach der Klimafreundlichkeit der COP 23 in Details verlieren. Oder man kann sich von Winkler einmal durch das große Ganze leiten lassen: von der Müllsortierung über das Catering, Unterkunft und Verkehr, die Papierreduzierung und Reisevermeidung durch virtuelle Verbindungen bis hin zum Wasser- und Energiesparen — und der Zertifizierung.

Denn Winkler hat im Kampf um größtmögliche Klimaneutralität in Bonn einen Partner an seiner Seite: das Bundesumweltministerium. Auf dessen Initiative wird die COP 23 als erste Weltklimakonferenz EMAS-zertifiziert. Dabei handelt es sich um ein Instrument der Europäischen Union, das über einen externen Umweltgutachter die Kontrolle der Umweltziele ermöglicht und dabei strenge Maßstäbe anlegt. So müssen bestimmte Kernindikatoren auf jeden Fall erfüllt sein.

Läuft alles nach Plan, halten die Organisatoren am 17. November zum Abschluss der Konferenz das EMAS-Zertifikat in den Händen. Aber die Auswertung steht dann noch aus. Die im Vorfeld verfasste Umwelterklärung der COP wird in der Folge auf den Prüfstand gestellt und mit den tatsächlichen Messungen verglichen. Jeder Flug, jede Fahrt zum Konferenzgelände, der Energie- und Wasserverbrauch, das Gewicht des Mülls — alles fließt in die Evaluation mit ein.

Es ist kurz vor 12 Uhr, die Kantine hat geöffnet. Die ersten Besucher strömen an die Kasse. Lars Schmidt kontrolliert, ob die Abläufe funktionieren. Am Abend zuvor musste er sicherstellen, dass die 5000 Gäste der Eröffnungsveranstaltung mit vegetarischem Fingerfood versorgt wurden. Jetzt gewährt der Projektmanager des Caterers „Food Affairs“ einen Einblick in das Verpflegungskonzept für die Weltklimakonferenz. Regionale und mindestens zur Hälfte Bioprodukte, das sind zwei der Vorgaben. „Wir besorgen alles aus einem Umkreis von maximal 160 Kilometern um Bonn herum“, sagt Schmidt. Exotische Früchte — Fehlanzeige.

Die Strohhalme sind kompostierbar, die Pappbecher FSC-zertifiziert, selbst die Servietten haben ein Eco-Label. „Und wir bemühen uns um so wenig Überproduktion wie möglich.“ Was vom Vorabend übrig blieb, wurde kostenfrei an Bedürftige verteilt. Das deutsche Pfandsystem für Plastikflaschen allerdings mochte Schmidt den internationalen Gästen dann doch nicht zumuten. Der Erlös aus den zentralen Sammelbehältern soll stattdessen später für einen „naturverbundenen guten Zweck gespendet werden“. Und selbst beim ausgefeiltesten Catering stößt der Klimaschutz an seine Grenzen: „Auch wir müssen mit dem Lkw herkommen.“

Nicht der einzige wunde Punkt. Draußen am Rande der Zeltstadt brummen Dieselgeneratoren. Entlang der Wege sind mobile Laternen aufgestellt, die ebenfalls auf Generatoren fußen. Nina Wettern, Sprecherin des Bundesumweltmisteriums, spricht von einem sauren Apfel, in den man habe beißen müssen. Weil die Fidschi-Inseln zwar die Präsidentschaft der COP 23 übernommen haben, aber nicht die Ausrichtung, musste den Regularien gemäß Bonn als Sitz des Klimasekretariats einspringen. Zeitdruck und Versorgungslage in der Rheinaue hätten keine andere Lösung als die Generatoren zugelassen.

Aber abgerechnet wird am Schluss. Und unter dem Strich soll die COP 23 wie seit Jahren auch ihre Vorgängerkonferenzen klimaneutral sein. Die Emissionen werden durch den Kauf von Klimazertifikaten kompensiert. In diesem Fall sollen emissionsmindernde Projekte unterstützt werden, die vor allem den Insel- und Entwicklungsstaaten wie den Fidschis zugute kommen. Sprecherin Wettern sagt, warum: „Die Inselstaaten sind die verletzlichsten.“

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