Chantal wollte Pflegefamilie vor Methadon-Tod verlassen

Hamburg (dpa) - Die elfjährige Chantal aus Hamburg-Wilhelmsburg hat noch Wochen vor ihrem Methadon-Tod versucht, ihre drogensüchtige Pflegefamilie zu verlassen.

Chantal wollte Pflegefamilie vor Methadon-Tod verlassen
Foto: dpa

„Bitte geh zum Jugendamt und hole mich aus dieser schrecklichen Familie“, zitierte Staatsanwalt Florian Kirstein am Montag vor dem Hamburger Landgericht aus einem Brief von Chantal an ihren leiblichen Vater.

Eine Frau, die im Auftrag des Jugendamts Chantals Pflegeeltern beraten hatte, sagte als Zeugin aus. Eine Mitarbeiterin der Behörde habe mit dem Kind über das Schreiben gesprochen. Chantal soll gesagt haben, dass sie bei ihrem Vater - ebenfalls drogenabhängig - leben wolle. Den Darstellungen der Zeugin zufolge wurden die Aussagen im Brief nicht weiter untersucht.

Die Frau sah das Wohl des Kindes in der Pflegefamilie grundsätzlich nicht als gefährdet an. Chantal starb am 16. Januar 2012 an der Heroin-Ersatzdroge Methadon, die sie in der Wohnung entdeckt haben soll.

Der Zustand der Wohnung sei „grenzwertig“ gewesen, erklärte ein weiterer Mitarbeiter des Jugendamtes. Die Räume hätten stark nach Tieren gerochen und seien sehr unordentlich gewesen. „Es herrschte ein Tohuwabohu.“ Das Mädchen sei aber gut in der Familie aufgenommen, der Gesamteindruck stimmig, aber verbesserungswürdig gewesen.

Nach Darstellung der beiden Zeugen war den Mitarbeitern des Jugendamts die Drogenvergangenheit der Pflegeeltern nicht bekannt. „Mir wurde das nie, nie gesagt“, sagte die Frau, die die Pflegeeltern seit 2008 betreut hatte.

Laut Staatsanwaltschaft war das Jugendamt Hinweisen von Chantals Verwandten, die Angeklagten würden Drogen oder die Ersatzdroge Methadon konsumieren, nicht nachgegangen. Die Zeugin sagte aus, sie hätte die Hinweise als „Verleumdungen“ abgetan. Bereits 1990 war der Angeklagten die Obhut für eine leibliche Tochter entzogen worden.

Eine weitere Mitarbeiterin des Jugendamtes, die ebenfalls am Montag als ehemaliger Vormund Chantals befragt werden sollte, verweigerte ihre Aussage. Die Pflegeeltern sind wegen fahrlässiger Tötung und Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht angeklagt.

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