Bobfahren: Runter kommen sie alle

Einmal in einem Renn-Bob durch den Eiskanal brettern. Das können auch Hobbypiloten — falls sie denn mutig genug sind.

Innsbruck. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr. Ein Mann mittleren Alters greift noch schnell zum Flachmann, um sich Mut anzutrinken. „Nur zur Stärkung“, flüstert er mit verlegenem Grinsen. Das Ziel des Fußmarsches liegt auf gut 1100 Meter Höhe: die Startstation der Innsbrucker Bobbahn.

„Keine Sorge, es kann überhaupt nichts passieren“, beruhigt Robert Manzenreiter (kl. Foto) seine Schützlinge. Der 46-Jährige kümmert er sich um Adrenalin-Junkies, die mit 120 Kilometern in der Stunde die vereiste Röhre runterbrettern wollen. „Das geht so schnell, dass Sie’s kaum noch mitkriegen“, sagt Manzenreiter und deutet auf die steilste Kurve: „Da erreichen Sie eine Beschleunigung von bis zu 4 G.“ Das Publikum nickt ehrfürchtig.

Ehe der Bahnchef ausgeredet hat, springt die Ampel auf Grün. Gemeinsam mit einem weiteren Fahrgast, einem Lenker und einem Bremser beginnt die Fahrt. Mit Handschuhen, Helm und dicker Winterhose drängen sich die Insassen in dem engen Gefährt, zusammengequetscht wie eine Presswurst. Diejenigen, die es noch vor sich haben, klatschen und rufen von der Startplattform: „Hopp, hopp, hopp, hopp!“

Die meisten Lenker, die mehrmals täglich die 1270 Meter lange Strecke abfahren, waren früher Profis. Wie Sepp Kienast. „Der Kick ist immer noch da“, sagt der 55-Jährige. „Wenn’s einmal losgeht, wird nicht gebremst. Die Nähe zur Bande, die Konzentration — das ist fantastisch.“

Langsam nimmt der Bob Fahrt auf. Die Ruhe vor dem Sturm, wie auf der Achterbahn. Doch mit jedem Zentimeter auf dem Eis ruckelt es mehr. Dann ist auch schon die erste Kurve zu sehen. Oder ist es ein Looping? Schwer zu sagen, denn plötzlich versagt die Orientierung. Links, rechts, oben, unten? Von jetzt auf gleich rast der Bob so schnell, dass es einem den Atem verschlägt.

Festgekrallt an den Griffen versuchen die Gäste, die Tortur zu überstehen. Die nächste Kurve naht. Der Helm schlägt gegen die Hülle des Bobs. Er schießt wie ein Torpedo nach unten. Bäume, Zuschauer, Geräusche: alles verwischt, alles verschwimmt.

Nach 58 Sekunden ist alles vorbei. Die Knie schlottern, das Selbstbewusstsein kehrt zurück. Wie Olympioniken werden die Amateur-Fahrer am Ziel begrüßt: Kameras klicken, Jubel brandet auf. Sogar eine Urkunde gibt es für jeden, der sich auf die eisige Strecke gewagt hat. „Verwechseln Sie bei der Heimfahrt nur nicht die Autobahn mit der Bobbahn“, ruft Manzenreiter den euphorisierten Hobbysportlern nach.

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