Rivalisierende Gangs Blutbad hinter Gittern: 26 Tote in brasilianischem Gefängnis

Natal (dpa) - Bei schweren Kämpfen zwischen rivalisierenden Gangs sind in einem brasilianischen Gefängnis mindestens 26 Menschen ums Leben gekommen. Zuvor war von 27 Todesopfern die Rede gewesen, allerdings wurde ein Toter doppelt gezählt.

Rivalisierende Gangs: Blutbad hinter Gittern: 26 Tote in brasilianischem Gefängnis
Foto: dpa

Die Identifizierung der Opfer sei schwierig, weil die meisten Leichen geköpft und verstümmelt worden seien, teilten die Sicherheitsbehörden des Bundesstaats Rio Grande do Norte mit.

Zu den blutigen Auseinandersetzungen war es gekommen, nachdem Gangmitglieder am Samstag in den Bereich einer anderen Bande eingedrungen waren. Am Sonntag stürmte die Militärpolizei im Morgengrauen die Haftanstalt Alcaçuz im Nordosten des Landes.

Ein Hubschrauber kreiste über dem Gelände. Blendgranaten wurden gezündet und schwer bewaffnete Beamte rückten mit gepanzerten Fahrzeugen in das Gefängnis ein. Auf Fotos war zu sehen, wie die Spezialkräfte die Häftlinge nackt in einer Reihe aufstellten und kontrollierten.

Die Kämpfe zwischen den Banden Primeiro Comando da Capital und Sindicato do Norte wurden offenbar von Gangmitgliedern außerhalb der Haftanstalt unterstützt. Kurz zuvor hätten sich Männer in einem Auto dem Gefängnis genähert und Waffen über die Mauer geworfen, sagte die Präsidentin der Gewerkschaft der Justizvollzugsbeamten, Vilma Batista, der Zeitung „O Globo“.

Das Gefängnis Alcaçuz ist von Sanddünen umgeben. Von dort lassen sich Gegenstände recht leicht über die Mauer werfen. Außerdem wurde vor Beginn der Auseinandersetzung der Strom abgestellt. Deshalb funktionierten die Störsender nicht mehr, die die Kommunikation per Handy in dem Gefängnis verhindern sollten.

Primeiro Comando da Capital ist die größte kriminelle Organisation des Landes und hat ihre Hochburg in der Millionenmetropole São Paulo. Das Sindicato do Norte kämpft um die Kontrolle des Drogenhandels im Nordosten des Landes. Sechs Rädelsführer seien identifiziert wurden und sollten in Bundesgefängnisse verlegt werden, sagte der örtliche Justizminister Walber Virgolino.

Im Bundesstaat Paraná erschossen am Sonntag Beamte der Militärpolizei zwei Häftlinge auf der Flucht. Zuvor waren 30 Gefangene aus einer Haftanstalt getürmt, nachdem mutmaßliche Bandenmitglieder die Gefängnismauer von außen gesprengt hatten. „Es handelte sich um eine geplante Aktion. Die Polizei ermittelt, wer an dem Fluchtplan beteiligt war und versucht, die geflohenen Häftlinge wieder festzunehmen“, sagte der Sicherheitschef des Bundesstaats, Wagner Mesquita.

In den zwei Wochen seit Anfang dieses Jahres kamen bei Kämpfen in brasilianischen Gefängnissen schon mehr als 100 Menschen ums Leben. Kriminelle Banden ringen um die Kontrolle des Drogenhandels. Zudem sind die Haftanstalten extrem überfüllt. Nach Angaben des Justizministeriums sitzen 622 000 Häftlinge in Gefängnissen mit einer Gesamtkapazität von nur 372 000 Plätzen ein.

„Das System ist schon lange überlastet. Das Problem hat sich mit jeder Regierung verschärft“, sagte Justizminister Alexandre de Moraes im Fernsehen. „Uns fehlen fast 300 000 Haftplätze. Das hat das System in ein Pulverfass verwandelt.“ Staatspräsident Michel Temer rief angesichts der jüngsten Ereignisse die Sicherheits- und Justizminister der Bundesstaaten für Dienstag zu einer Krisensitzung zusammen.

Im den vergangenen zehn Jahren stieg die Zahl der Häftlinge in Brasilien nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) um 85 Prozent. Vor allem die restriktive Drogenpolitik mit Freiheitsstrafen selbst für Konsumenten hat demnach die Zahl der Gefangenen in die Höhe schnellen lassen. Nach den USA, China und Russland ist Brasilien das Land mit der höchsten Zahl an Gefangenen weltweit. Die Haftbedingungen beschreibt HRW als „mittelalterlich“.

Zahlreiche Gefängnisse werden de facto von kriminellen Organisationen verwaltet. „In den Einrichtungen gibt es keine Kontrolle“, sagte der Regionaldirektor von Human Rights Watch, Daniel Wilkinson, der Deutschen Presse-Agentur. „Das hat in der Vergangenheit zu Gewalt geführt und wird weiter zu Gewalt führen.“

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