Billig leben im Wohnwagen

Auf den Campingplätzen haben sich Dauerwohner eingenistet. Es gibt sogar Wohngeld.

Lohmar. Frische Luft, ein rauschender Fluss, umgeben von Natur. Das ganze Jahr im Grünen leben. Wohnen auf dem Campingplatz in ländlicher Idylle klingt sehr vielversprechend. In Zeiten der wirtschaftlichen Talfahrt bevorzugen einige Menschen den Wohnwagen als Wohnungsersatz. Sie wollen damit auch Geld sparen.

Der 58-jährige Friedhelm Tepasse lebt nach verlorenem Job und Zwangsauszug seit Frühjahr 2009 in einem Wohnwagen in Lohmar (Rhein-Sieg-Kreis). "Eigentlich wollte ich nur vorübergehend bleiben. Doch es hat mir gut gefallen, so dass ich trotz neuer Arbeit nun dauerhaft auf dem Campingplatz leben möchte. Es ist kein Platz der letzten Zuflucht. Ich habe mich bewusst dazu entschieden."

Das permanente Wohnen auf dem Campingplatz ist kein neuer Trend - die Wirtschaftskrise hat da nur wenig verändert. Gunter Riechey vom Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland bestätigt: "Wir können aufgrund von Einzelerscheinungen weder einen verstärkten Verhaltenstrend noch erhöhte Anfragen von Gästen zum dauerhaften Wohnen auf Campingplätzen feststellen." Allerdings widerspreche das Dauerwohnen auf dem Campingplatz dem ursprünglichen Charakter.

Auf der Anlage in "Lohmar an der Agger" hat das Besitzerpaar Herbert und Gertrud Scheidt 155 Stellplätze. Davon sind 60 an Dauerbewohner verpachtet - mit Kündigungsfristen für beide Seiten. Die anderen Plätze werden von Dauercampern belegt, die noch einen weiteren Wohnsitz haben. Probleme zwischen Dauercampern und Bewohnern an der Agger gibt es nicht. "Die Camper wissen untereinander nicht, wer Dauercamper oder Bewohner ist," sagt Herbert Scheidt.

Dauerwohner bei Scheidt ist das Ehepaar Uschi und Anton Steffens. Die Steffens haben sich für ein Leben in freier Natur entschieden, auch um Geld zu sparen. Rund 1300 Euro zahlen Sie für ihr kleines Reich im Jahr. Ihre frühere Mietwohnung hat 8400 Euro jährlich gekostet.

Das Ehepaar gab die Wohnung nach einer drohenden Mieterhöhung in einem Mehrfamilienhaus im benachbarten Troisdorf auf. Zudem verlor Anton Steffens seine Arbeit bei einem Bauunternehmen. "Wir waren jedes Wochenende auf dem Campingplatz. Da haben wir gedacht, dann können wir auch gleich hier wohnen. Wir fühlen uns sehr wohl", so der 51-Jährige.

Auf ihrer Homepage im Internet wirbt Familie Scheidt mit der Bleibe für Monteure, Menschen die noch in Probezeit arbeiten, eine billige Miete suchen oder auch Menschen, die sich von ihrem Partner getrennt haben. Der Erfolg gibt dem Ehepaar Recht. "Es gab in den vergangenen Jahren eine Phase, da hatten wir fast immer 30 Prozent Leerstand. Dann kam uns die Idee, Wohnwagen zu vermieten, ähnlich wie in Amerika in den Trailerparks", sagt Herbert Scheidt. Jetzt sind die Scheidts fast ausgebucht.

Auch für Wohngeldempfänger ist ein Leben auf dem Campingplatz kein Problem. "Wohngeld bekommen sie auch auf dem Campingplatz, vorausgesetzt sie haben einen gemeldeten Wohnsitz dort", erklärt Heike Helfer, eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

In Lohmar gibt es damit aber derzeit Probleme: Die Stadt sieht den Zuwachs an Mietern in Wohnwagen auf dem Campingplatz kritisch, weil er im Überschwemmungsgebiet liegt. "Die Stadt will obdachlosen Bürgern gerne helfen. Doch wir prüfen derzeit die Gefahren für Camper, denn es soll nicht beim nächsten Hochwasser die Hälfte der Wohnwagen die Agger hinuntergespült werden", sagt der Sprecher der Stadt Lohmar, Michael Hildebrand.

Die Bewohner fühlen sich wohl. "Es ist eine tolle Nachbarschaft, und was die Leute zum Leben auf dem Campingplatz sagen, interessiert mich nicht. Das Geld, das ich für die Wohnung ausgeben müsste, spare ich lieber und lebe in meinem eigenen Reich - auf dem Campingplatz", sagt Steffens.

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