Behandlungsfehler: Wenn ein Arzt Patienten verwechselt

Tausende Versicherte beschweren sich jährlich über ihre Behandlung. Rund ein Drittel der Betroffenen bekommt im Schnitt Recht.

Behandlungsfehler: Wenn ein Arzt Patienten verwechselt
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Düsseldorf. Infektionen, allergische Reaktionen oder eine falsche Medikamentendosierung — das alles sind Fehler, die fatale Folgen haben können. Im Wuppertaler St. Anna-Klinikum wurden Anfang Februar 2012 mehreren Säuglingen bei einer Routineuntersuchung die Augen schwer verätzt durch eine tausendfach zu hohe Dosierung der Augentropfen. Der kleine Linus erlitt irreparable Schäden an den Augen. Es ist ein Beispiel für einen Behandlungsfehler aus der Region. Doch täglich unterlaufen Ärzten oder Pflegern Fehler.

So sollte eine ältere Patientin in einer Klinik in NRW eine Blutkonserve bekommen. Doch ein Arzt verwechselte zwei Patienten, die Transfusion stand am Ende am falschen Bett. Die Dame bekam eine Blutkonserve mit einer verkehrten Blutgruppe.

Beim Krankenhaus-CIRS-Netz, einem Berichtssystem für sicherheitsrelevante Ereignisse im Krankenhaus, können Ärzte oder Pfleger Vorfälle melden. Im Internet sind beim CIRS Nordrhein-Westfalen diverse Fälle nachzulesen. In Fall 88 504 beschreibt etwa ein Augenarzt, dass er zwei Patienten mit gleichem Nachnamen, ähnlichem Alter und Aussehen verwechselte. Erst bei einigen Nachfragen fiel dieser Fehler auf. Beim Fall 90 204 berichtet ein Krankenhausangestellter, dass alle Ampullen eines Medikaments trotz unterschiedlicher Dosierung gleich beschriftet seien. „Einem Pfleger fiel der Fehler zum Glück auf.“ Bei Fall 101 888 beschreibt ein Mediziner, dass häufig die Sauerstoffzufuhr mit dem Knopf, der der druckreduzierten Abgabe des Sauerstoffs dient, verwechselt würde, weil die Knöpfe gleich aussähen.

„Immer mehr Menschen wenden sich an die Servicestelle, die sich um ärztliche Behandlungsfehler kümmert“, sagte André Maßmann, Sprecher der AOK Rheinland. Insgesamt beanstanden nach Schätzungen jährlich 40 000 Versicherte ihre Behandlung bei Ärztestellen, Krankenkassen oder vor Gerichten. Doch nicht jeder Verdacht auf einen Behandlungsfehler erweist sich auch als solcher, sagte Ärztekammer-Präsident Frank-Ulrich Montgomery am Dienstag.

Laut Maßmann gibt es bei der AOK Rheinland zurzeit 2500 laufende Fälle. In der Regel würden 30 Prozent als Behandlungsfehler anerkannt. Das entspricht den Werten der Ärztekammer. Sie hat 2012 insgesamt 7579 Anträge zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern bearbeitet. Dabei lag in 2280 Fällen ein Behandlungsfehler vor.

Doch Betroffene hätten es nicht leicht in solchen Verfahren, mahnt die Stiftung Patientenschutz. „Ärzte und Krankenhäuser behaupten regelmäßig, dass der Schaden unabhängig von dem Eingriff sowieso eingetreten wäre oder eine andere Ursache hätte“, sagte Patientenberater Stephan von der Trenck. Die Stiftung schlug deshalb vor, die Beweislast umzukehren, „weil bei Behandlungsfehlern die Leistungsanbieter alle Trümpfe in der Hand haben“.

Damit erst gar keine Behandlungsfehler passieren, fordert die AOK mehr Transparenz bezüglich der Qualität der Krankenhausbehandlung. Das helfe den Patienten. Die Krankenkasse erhebt zu diesem Zweck auch eigene Untersuchungen und kommt darin wie auch im am Dienstag veröffentlichten Krankenhausreport zu dem Ergebnis, dass Routine bei Eingriffen die Qualität erhöht. Bei planbaren Hüftgelenk-Operationen haben die Kliniken mit den wenigsten Eingriffen im Vergleich zu denen mit den meisten Behandlungen eine um 37 Prozent höhere Rate an Wiederholungsoperationen. Eine Spezialisierung der Kliniken sei wünschenswert. Auch Christoph Straub, Vorstandschef der Barmer, forderte eine Konzentration von Eingriffen.

Um die schwierige Situation zu verbessern sei zudem eine Fehlerkultur wünschenswert, betonen Experten. „Die Mitarbeiter müssen stärker für das Thema sensibilisiert und die bereits eingeführten Fehlerberichtssysteme besser genutzt werden“, sagte der Mediziner Max Geraedts, Mitherausgeber der AOK-Studie.

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