Begraben unter Schlamm

Ganze Landstriche sind nach der Lawine im Hinterland von Rio verwüstet. Stadtviertel versinken im Morast.

Rio de Janeiro. Teresópolis, Petrópolis, Nova Friburgo — historische Städte mit klangvollen Namen. Einige dienten schon im 19. Jahrhundert wegen des kühlen Bergklimas als Ausflugsziel für gut betuchte Einwohner Rio de Janeiros, die der Hitze am Zuckerhut entfliehen wollten. Seit zwei Tagen stehen die Namen der Städte für Tod, Zerstörung und Trauer. Mindestens 510 Menschen starben bei einer der schlimmsten Unwetterkatastrophen Brasiliens. Gigantische Schlammlawinen hinterließen eine Spur der Verwüstung. Die Region ist im Schockzustand.

Hunderte Feuerwehrleute, Soldaten und Zivilschutzhelfer suchen mit Hunden und schwerem Gerät nach Überlebenden. „Die Hoffnung stirbt immer zuletzt“, sagt Feuerwehr-Kommandant José Pedro Miranda. „Ich glaube, es ist möglich, noch Überlebende zu finden. Wir müssen sehr schnell arbeiten.“ Bei aller Eile müssen die Einsatzkräfte vorsichtig sein. Es regnet weiter, und es besteht die Gefahr neuer Erdrutsche. Drei Feuerwehrleute sind bereits ums Leben gekommen.

Die tödlichen Schlammlawinen bahnten sich mit brutaler Gewalt ihren Weg und rissen alles mit, was sich ihnen in den Weg stellte — Häuser, Autos, Tiere und Menschen. Immer noch haben die Rettungskräfte nicht alle Unglücksorte erreicht. Die Zahl der Todesopfer wird wohl weiter steigen. In Turnhallen und Schulen reihen sich kleine und große Särge aneinander. Fassungslos nehmen die Menschen Abschied von ihren Familienangehörigen.

„Jetzt gibt es noch mich und meine Frau. Haus und Auto können wir durch Arbeit wiederbekommen. Aber wie bekomme ich meine drei Kinder wieder“, sagt der 38-jährige Jean Carlos Delfino Afonso bei der Beerdigung seiner zwei Töchter und seines Sohnes. Das Unglück kam zwei Tage vor der Hochzeit der ältesten Tochter Aline. Die 20-Jährige wurde unter meterhohen Schlammmassen begraben, genau wie ihre Schwester Cintia (17) und ihr Bruder Jean (9).

Mitten in der Katastrophe gelingt es auch, Leben zu retten. Die Bilder der spektakulären Rettung der 53-jährigen Ilair Pereira aus São José do Vale do Rio Preto gingen als Video im Internet um die Welt. Sie stürzte sich — an ein Seil gebunden — mit ihrem Hund „Beethoven“ in die tosenden Fluten, die ihr Haus Minuten später zum Einsturz brachten. „Ich habe noch nie im Leben einen festen Knoten gemacht. Als sie mir das Seil zuwarfen, habe ich mich festgebunden, ich weiß nicht, wie ich den Knoten gemacht habe“, sagte sie nach ihrer Rettung. Ihren Hund verlor sie in den Fluten. Er biss sie in der Panik in den Arm. „Wenn ich versucht hätte, ihm zu helfen, wäre ich jetzt tot.“

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