Atta-Höhle: Wandeln durch Dornröschens Welt

Jubiläum: Vor 100 Jahren wurde in der Nähe von Attendorn Deutschlands größte Tropfsteinhöhle entdeckt – eine verzauberte Landschaft, die schon über 40 Millionen Besucher fasziniert hat. BILDER aus der ATTA-HÖHLE

<strong>Düsseldorf. 19. Juli 1907: "Ein Loch, wir haben ein riesiges Loch in die Wand gesprengt!" Die Bergleute erstarren vor Schreck. Sie wollten doch nur Kalk brechen und jetzt klafft ein mannshoher Spalt im Fels. Steine könnten sich lösen und sie alle unter einer dicken Geröllschicht begraben. Doch ein Wagemutiger steigt in die Höhle. Stille. Dann ein Aufschrei: "Mensch Leute, das müsst ihr euch ansehen!" Nacheinander krabbeln die Arbeiter in den Berg hinein. Und erblicken ein Labyrinth aus Tropfsteinen, die phantastische Figuren bilden. Die Atta-Höhle im Hochsauerlandkreis Olpe ist entdeckt.

100 Jahre liegt das zurück. Seitdem haben über 40 Millionen Menschen die größte zugängliche Tropfsteinhöhle Deutschlands bestaunt. Jährlich kommen Hunderttausende, vor allem aus den Beneluxländern und Norddeutschland. Davon profitiert die gesamte Region: "Die Gäste reisen als Tagestouristen an und kommen als Urlauber wieder", sagt Wolfgang Böhmer, Geschäftsführer der Atta-Höhle.

Vor 450 Millionen Jahren begann das Regenwasser hier, kalksteinhaltiges Gestein auszuwaschen. Wenn die Tropfen von der Decke herabfallen, geben sie den Kalk wieder ab. Stalagtiten und auch Stalagmiten, die vom Boden nach oben wachsen, entstehen so. Tropft das Wasser nicht senkrecht, sondern läuft im immer gleichen Bogen an der Wand entlang, bilden sich Sinterfahnen, die bisher nur in der Atta-Höhle gefunden wurden.

Der knapp zwei Kilometer lange Gang windet sich durch eine Mondlandschaft aus Tropfsteingebilden. Hinter jeder Biegung ein neues Wunder: Eine funkelnde Kristalldecke, ein Elfenbeinturm, um den sich zarte Pfade winden. Er fühlt sich an wie unter Wasser getauchte Keramik.

100 Meter unter der Erde hätte man einen modrigen Geruch erwartet, doch die Luft ist seltsam neutral, als käme sie von weit her. Nur manchmal mischt sich ein Hauch von nassem Gestein hinein. Stalagmiten haben sich entlang des schmalen Pfades verschwörerisch in Kegelgruppen zusammengerottet. Als berieten sie, was mit dem Abenteurer geschehen soll, der es wagte, in ihre Höhle einzudringen.

Plötzlich versperrt eine knöchrige Kalkstein-Hand den Weg. Sie kämpft sich aus dem Boden hervor - die moosüberwucherten Mittelfinger zum Victoryzeichen ausgestreckt. Ein Wächter, der eines Kalifen würdig ist. Denn dahinter erstreckt sich die Alhambra-Höhle, deren niedrige Decke von prächtigen, geschnörkelten Säulen getragen wird. Sie gleichen jenen aus dem Palast des legendären Kalifen aus dem 13. Jahrhundert.

Erschrocken von so viel Machtdemonstration setzt der Wanderer seine Reise fort. Und steht auf einmal in dem Salon eines Märchenschlosses - dem Mittelpunkt der magischen Unterwelt. Berauschende Weite. An der Decke glänzt erhaben ein Kronleuchter aus Stalagtiten. Auf dem Boden überzieht eine honigwarme Schicht wie Zuckerwatte die Skulpturen, als ruhten sie im Dornröschenschlaf.

Vielleicht wurden sie von der riesigen Tropfstein-Orgel verzaubert, die mit ihren kiemenartigen Öffnungen zwischen den Pfeifen aussieht, als sei sie einem Unterwassertraum entsprungen - oder dem Kristallsee einige Schritte weiter entlang des Weges. Der See schimmert in türkis-grün und ist so klar, dass die Steine sich 1,50 Meter unter der Wasseroberfläche deutlich abzeichnen. Daneben schnappt ein riesiger Kalkstein-Eisbär nach einer Sinterfahne - erstarrt mitten im Sprung. Kalkweiß im Gesicht.

Atta-Höhle Die Höhle ist nach der Fürstin Atta benannt, die der Hansestadt Attendorn ihren Namen gab. Eine Führung dauert etwa 40 Minuten. Erwachsene zahlen 6,50 Euro, Kinder bis 14 Jahren 4,50 Euro. Weitere Informationen gibt es unter Telefon 02722/93750 oder im Netz unter www.atta-hoehle.de

Gesundheit Die Luft in der Höhle ist vollständig keim- und staubfrei. Sie ist damit zur Behandlung von Asthma, chronischer Bronchitis und Heuschnupfen geeignet. Heilsuchende können sich in der Gesundheitsgrotte für jeweils zwei oder vier Stunden in einen Schlafsack wickeln und auf einer Liege entspannen. Einige Kassen übernehmen die Kosten.

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