Als das Feuer vom Himmel fiel - 20 Jahre Ramstein-Katastrophe

Am 28. August 2008 kollidierten drei Flugzeuge während einer Flugschau in Ramstein. Die Angehörigen der 70 Todesopfer leiden 20 Jahre später noch unter den seelischen Folgen.

Ramstein (dpa). Das Unglück kam ausheiterem Himmel. Etwa 300 000 Menschen waren an dem schönen Sommertag des 28.August 1988 zum Flugtag auf den pfälzischen US-Militärflughafen Ramsteingekommen, um die spektakuläre Show zu sehen.

Bei der letzten Programmnummerpassierte es: Zwei Militärjets der italienischen Kunstflugstaffel „FrecceTricolori“ stießen in 40 Metern Höhe zusammen. Sie rissen eine dritte Maschinemit sich, die wie ein Feuerball in die Menschenmenge stürzte.

70 Menschen wurdenbei der bislang größten Flugschau-Katastrophe in Deutschland getötet, etwa 350schwer verletzt. Die Schreckensbilder gingen um die Welt. Am 28. August jährtsich die Ramstein-Katastrophe - die das Leben unzähliger Familien schlagartigveränderte - zum 20. Mal.

Bis heute leiden Hinterbliebene und Opferunter dem Trauma. „Man kann das Unglück nicht vergessen“, sagt der PsychologeHeiner Seidlitz, Leiter und Mitgründer der psychosozialen Nachsorgegruppe derRamstein-Betroffenen, in Kaiserslautern. Zwei Jahrzehnte danach hätten zwarEinige „mit Ramstein leben“ gelernt, aber: „Am Jahrestag reißt die Wunde immerwieder auf“, sagt der Leiter der Telefonseelsorge Pfalz.

Seidlitz hatte 1989 mitdem Mediziner Hartmut Jatzko die Gruppe ins Leben gerufen. Inzwischen wurdenetwa 200 Betroffene aus Deutschland und den Nachbarländern betreut. Jetzt,angesichts des 20. Jahrestages, meldeten sich wieder neue Opfer. „Es gibt immernoch das Bedürfnis, darüber zu reden.“

Auch bei Roland Fuchs. Er verloran dem Tag seine fünfjährige Tochter und seine Frau. Im Chaos nach dem Absturzhatte er noch versucht, sein brennendes Kind mit bloßen Händen zu retten: „Aberich hatte keine Chance“, berichtet er.

Das furchtbare Ereignis hat sich in seinGedächtnis eingebrannt wie die Narben in seine Haut. „Wenn jemand sagt: "Es sindnun doch schon so viele Jahre vergangen, warum immer noch darüber redenmüssen?", sage ich, dass auch nach so vielen Jahren meine Lieben nicht wiederlebendig werden und dass mir auch nach so vielen Jahren immer noch keine gesundeHaut nachgewachsen ist.“

Wegen körperlicher Schäden erhielten die Opferund ihre Angehörigen von Italien, den USA und der Bundesrepublik rund 16,3Millionen Euro. Musterklagen auf eine Entschädigung für seelische Spätfolgenblieben erfolglos. Seit dem Ramstein-Unglück sind militärische Kunstflüge inDeutschland verboten - und bei Flugvorführungen dürfen Zuschauerbereiche vonMilitärmaschinen nicht mehr über- oder angeflogen werden. Eine internationaleKommission hatte als Unfallursache menschliches Versagen eines der dreiitalienischen Piloten festgestellt.

Der Jahrestag zieht die Überlebendenimmer wieder an die „Aufschlagstelle“ zurück. Zur Unglückszeit um 15.48 Uhrhalten sie dort Jahr für Jahr inne. Auch in diesem Jahr wird das so sein. DenGedenkstein, den die US-Amerikaner 1989 auf der Airbase errichteten, nahmen sienie richtig an. „Auf dem Militärgelände ist er nur schwer zugänglich“, sagtSeidlitz. Daher errichteten die Hinterbliebenen eine zweite Gedenkstätte vor demUS-Gelände, auf einem kleinen Privatgrundstück, mit den Namen der 70 Toten. Indiesem Jahr soll das Grundstück an den Landkreis Kaiserslautern übergebenwerden. „Die Mitglieder der Gruppe werden immer älter und können nicht mehralles in Eigenregie machen“, sagt er.

Das furchtbare Ereignis hat auchRamstein geprägt. Überall wird die 9000-Einwohner-Gemeinde mit derFlugtag-Katastrophe in Verbindung gebracht. „Das ist verständlich“, sagt derBürgermeister der Stadt und Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach, Klaus Layes(CDU). Dennoch dürfe die Stadt als Synonym nicht nur für die Katastrophe stehen.„Wir stehen auch für die Freundschaft mit vielen Völkern, allen NATO- Staaten,die mit uns gut zusammenleben.“ Zum 20. Jahrestag stellt sich die Stadt ihrerGeschichte mit einer Sonderausstellung zum Flugtag. „Der Tag war Anlass für uns,der Betroffenheit der Hinterbliebenen und dem Gedenken an die Opfer gerecht zuwerden.“

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