„Ein Amoklauf ohne Waffen“

Im Prozess gegen die drei jugendlichen Schläger vom Sendlinger Tor in München hat der mutmaßliche Haupttäter ausgesagt.

München. Abgeschirmt von der Öffentlichkeit hat in München der Prozess gegen drei Schweizer Schüler wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung begonnen. Binnen zehn Minuten sollen die damals 16- Jährigen im vergangenen Sommer fünf Menschen wahllos zusammengeschlagen haben.

Mike, Ivan und Benjamin drohen bis zu zehn Jahre Haft nach Jugendstrafrecht. Wegen ihres jugendlichen Alters wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Während Ivan und Benjamin am Montag zum Prozessauftakt schwiegen, erzählte Mike nach Angaben von Justizsprechern aus seinem bisherigen Leben. Zum Tatvorwurf äußerte er sich jedoch nicht.

Obwohl es bei seinem Lebenslauf auch um eine frühere Tat ging, habe Mike sich als nicht aggressiv und fröhlich beschrieben, sagte Nebenklage-Anwalt Wolf-Dietrich Kohler. "Er hat sich aus seiner Sicht gut dargestellt." Kohler vertritt einen Versicherungskaufmann aus Ratingen, den die Jugendlichen zusammengeschlagen haben sollen.

"Dass jeder versucht, einen möglichst guten Eindruck zu machen, ist klar", sagte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel. Vor Gericht wirkten alle drei "sehr jugendlich", schilderte sie ihren Eindruck. "Sie haben jetzt das große Flattern." Die aus der Schweiz angereisten Eltern saßen mit im Gerichtssaal. Die Schüler der 10. Klasse einer Weiterbildungs- und Berufsfachschule aus Küsnacht hatten den Ermittlungen zufolge am Abend des 30. Juni 2009 in einem Park in der Münchner Innenstadt gefeiert, Alkohol getrunken und Marihuana geraucht. Warum die Stimmung dann kippte, ist nicht ganz klar. Mike soll sich jedoch darüber geärgert haben, dass sein Portmonee weg war.

"Ein nichtiger Anlass scheint zu der Eskalation geführt zu haben", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Thomas Steinkraus-Koch. Die Jugendlichen sollen laut Anklage zunächst drei Mazedonier, darunter einen Körperbehinderten, überfallen haben. Hundert Meter weiter am Sendlinger Tor sollen sie dann den damals 46 Jahre alten Ratinger und zuletzt einen Studenten aus Bulgarien zusammengeschlagen haben. Es sei darum gegangen, "ein bisschen Spaß zu haben", sagte einer der Schüler.

Die Staatsanwaltschaft sprach damals von einem "Amoklauf ohne Waffen". Sie geht in zwei Fällen von versuchtem Mord aus: Dem Körperbehinderten sowie dem Geschäftsmann sollen die Schüler mit so großer Wucht gegen den Kopf getreten haben, dass beide Opfer bewusstlos liegenblieben. Beide sollen - wie die anderen Opfer - am Dienstag und Mittwoch vernommen werden.

Vor allem wegen des jungen Alters der Angeklagten steche der Fall "aus der Masse heraus", sagte Steinkraus-Koch. Gerichtssprecherin Nötzel erinnerte an den Fall der Münchner U-Bahn-Schläger vor rund zwei Jahren und den von Jugendlichen in München zu Tode geprügelten Geschäftsmann Dominik Brunner. Das Schreckliche sei in all diesen Fällen die große Brutalität.

Einen Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens mangels örtlicher Zuständigkeit des Münchner Gerichts wies die Jugendkammer unter Vorsitz von Richter Reinhold Baier ab. Die Jugendlichen hätten in der Schweiz auf mildere Strafen hoffen können: Dort liegt die Höchststrafe bei vier anstatt zehn Jahren wie in Deutschland.

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