Vor dem IT-Gipfel in Essen: Branche mit Personalsorgen

Essen (dpa) - Breitband-Internet, neue IP-Adressen, Telemedizin oder „Smart Grids“ für die Energieversorgung - der siebte IT-Gipfel will Orientierung geben bei der Digitalisierung der Gesellschaft.

Wenn Bundesregierung und IT-Branche am Dienstag (13.11.) in Essen zusammenkommen und über Stärken und Schwächen des Standorts Deutschland in Informationstechnik und Telekommunikation diskutieren, schwebt ein Thema über allen Runden: Der Fachkräfte-Mangel.

Um zu digitalisieren, zu vernetzen und um zu gründen, fehlt der deutschen IT-Wirtschaft der Nachwuchs. Über 40 000 Stellen sind aktuell unbesetzt. Wer mit einer Idee ein Unternehmen gründen will, hat auf dem Weltmarkt keine Chance, wenn er nicht die passenden Mitarbeiter findet.

Bitkom-Präsident Dieter Kempf will den Schwarzen Peter nicht in Richtung Politik schieben. „Es gelingt uns nicht, genügend Arbeitskräfte von den Schulen und Unis für uns zu gewinnen. Hier müssen wir Versäumnisse aufholen, weil von den 1960er bis in die späten 1990er Jahre falsche Bildungsschwerpunkte gesetzt wurden“, sagte Kempf vor dem Gipfel der Nachrichten-Agentur dpa. Mit der Blue-Card-Initiative der EU fördere die Politik ja die Einwanderung hoch qualifizierter Fachkräfte. Das sei ein wichtiger Schritt. „Und trotzdem rennen uns ausländische Fachkräfte nicht die Tür ein“, klagt Kempf.

Ganz im Gegenteil. Beim letzten Asien-Pazifik-Forum sah sich Kempf mit einem Angebot der indischen Regierung konfrontiert. Die hatte seine Klage zum Fachkräfte-Mangel mit der Aussage gekontert, die Deutschen sollten die Arbeit doch einfach rüberschieben. In Indien gebe es genug Experten. Und deshalb richtet Kempf einen Wunsch an die Gesellschaft: „Wir dürfen nicht länger das Thema Ausländer in der Wirtschaft immer nur durch die Asyl-Brille betrachten. Wir brauchen ganz dringend eine Willkommenskultur für Einwanderer in unserem Land.“

In Deutschland schauen die Branchenvertreter auf die Frauen. Nur 15 Prozent der Studentinnen interessieren sich für IT-Bereiche. Hier sehen Experten viel Potential, um die Lücken schnell schließen zu können. „Aber es gelingt uns nicht, weil viele junge Frauen noch immer ein völlig falsches Berufsbild haben“, klagt ein Insider.

Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam setzt große Hoffnung auf neue Bildungsplattformen mit Hilfe von Cloud-Computing: „Mit diesen neuen Möglichkeiten können wir schnell und ohne großen finanziellen Aufwand Lücken in der Ausbildung an den Schulen schließen.“ Meinels HPI bietet offene Lernplattformen übers Internet an. In kurzer Zeit haben sich dort weltweit mehrere tausend an den neuen Bildungsangeboten beteiligt.

Beim Gipfel in Essen stellen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) und Justizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dem Dialog. Aus der Wirtschaft sind neben anderen die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom, René Obermann, der Software AG, Karl-Heinz Streibich, und die Geschäftsführerin von IBM Deutschland, Martina Koederitz, dabei.

Dem Gipfel gingen einjährige Beratungen in acht Arbeitsgruppen voraus. Zentrale Themen sind neben der Förderung von Startup-Firmen die intelligenten Netze - dabei geht es um die Vernetzung von Beteiligten und deren Datenströmen in Energie, Gesundheit, Verkehr, Bildung und Verwaltung. Weitere Themen sind Datenschutz und Sicherheit im Internet, die Schließung der verbliebenen Lücken im Breitbandnetz und das neue Internet-Protokoll IPv6. Interessenten können sich im „it-gipfelblog.de“ und auf Twitter (unter #itg12) über den Verlauf der Konferenz informieren.

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