Digitale Verunsicherung Von freier Meinung, die im Internet käuflich ist

Meinungsfreizeit in Webportalen: Im Internet lassen sich Arbeitgeber, Händler, Waren und alle möglichen Dienstleistungen bewerten. Bewertungsplattformen haben sich als idealer Platz etabliert, um einmal richtig Dampf abzulassen.

Digitale Verunsicherung: Von freier Meinung, die im Internet käuflich ist
Foto: Sergej Lepke

Wer sich über seinen Arzt ärgert, da die gewünschte Massage nicht verschrieben wurde, stellt dafür gleich die gesamte Kompetenz in Frage. Wessen Wunsch nach Gehaltserhöhung kein Gehör findet, der wertet mit ein paar Sätzen die ganze Firma ab. Und wem die Portion im Restaurant zu klein war, der macht den Gastronomiebetrieb zur kulinarischen Katastrophe. Das Feierabendvergnügen hat für die Betroffenen oft harte Konsequenzen: Der Häme folgt wirtschaftlicher Schaden.

Für die Glaubwürdigkeit genügt das Prinzip „Klein gegen Gross“. Ob der anonyme David je für den benannten Goliath gearbeitet oder seine Dienste in Anspruch genommen hat, bleibt unbekannt. Nicht einmal Ahnung von der Materie ist Voraussetzung, um Sternchen wie Gummipunkte zu verteilen. Das mache jeder, wie er will.

Die Betreiber der Plattformen sind da blind wie Justitia und konzentrieren sich lieber aufs eigene Business. Das brummt am besten, je extremer die Meinungen sind. Ehrlich gesagt, ist eher fad, täuschend echt aber, was so als glaubhafte Kritik veräußert wird. Das findet gern Gehör. Kein Geschäftszweig, der sich nicht zum Lästern eignete, angefangen von der miefigen Umkleide im Fitnessstudio bis zu dem stinkigen Käse im Restaurant.

Je mieser die Plattwürmer, desto erfolgreicher die Plattformen. Mit fremder Leute Meinung lässt sich prächtig Geld verdienen. Denn wo sollte der diffamierte Fabrikant, Händler, Dienstleister besser gegensteuern, als auf der Plattform selbst. Diese Werbung in eigener Sache wird dann auch von vielen Betreibern den Opfern der Rufattacke angeboten. Wenn der Druck im Meinungstopf stimmt, ist der Unternehmer bald weich. Guter Ruf ist teuer und ein Schuft, wer da an Schutzgeld denkt. Das postende Publikum aber wird zum Handlanger des Geschäfts: Wertewandel im Wertehandel.

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