Digitale Verunsicherung Informationsträger, die museumreif sind

Altes Eisen. Mehr bleibt nicht. Festplatten, die korrodieren, deren Lager festsitzen und bei denen die Schreib-Lese-Köpfe aufliegen: Big-Data-Headcrash. Oder schlimmer noch: Plastikscheiben, bei denen sich die Beschichtung löst und die eingepressten oder eingebrannten Daten nicht mehr lesbar sind: Wert ohne Muster, Sondermüll der Informationsgesellschaft.

Digitale Verunsicherung: Informationsträger, die museumreif sind
Foto: Sergej Lepke

Was bleibt, ist die Erinnerung. Sie aufrechtzuerhalten aber ist die Aufgabe der verschiedenen Aufzeichnungssysteme, die die Menschheit gegen das Vergessen einsetzt.

Dass die Geschichte der Informationsspeicher und der Datenverarbeitung eine tiefere historische Perspektive hat, als der individuelle Rückblick erschließt, zeigt sich bei Objekten, deren Aufzeichnungen die Jahrtausende überdauerten. Ob Steininschriften, Knotenschnüre, Pergamente oder einfach Papier, sie haben längst bewiesen, woran unsere Datenträger noch immer scheitern: Sie bleiben lesbar, sichern Wissen und verbinden Generationen miteinander.

Einen Brückenschlag über 5000 Jahre Informationstechnik leistet das Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF), das größte Computermuseum der Welt, das dieser Tage seinen 20. Geburtstag gefeiert hat. Das HNF gibt einen fantastischen Einblick in die Vergänglichkeit gespeicherter Inhalte und die Unvergänglichkeit ihrer Medien. So ist das älteste Exponat eine sumerische Tontafel, deren Keilschrift Brotrationen abrechnet, halt eine Datenbankanwendung aus dem dritten Jahrtausend vor Christus.

Ihr Wert erschließt sich in der Art und Weise, wie die Daten aufgezeichnet wurden. Wäre die Berechnung mit spitzem Finger in den Sand geschrieben, wer wollte sie heute lesen? Dass sie sich aber heute noch dechiffrieren lassen, bringt Ungereimtheiten in der Buchhaltung zutage. Die Kombination von Inhalt und Medium lässt uns Menschen verstehen, Gedankengänge erkennen, Entwicklungen nachvollziehen.

Das ist es, was das HNF durch alle Epochen hindurch leistet: Schreibsysteme der Goten, Phönizier, Ägypter und Griechen, Schreibmaschinen und Drucker, babylonische Mathematik, Napiersche Multiplikationsstäbchen, Rechenschieber, Taschenrechner, Computer, das Internet und die Cloud. Unsere Daten sind so vergänglich, dass sie schon heute ins Museum gehören. Hier überdauern sie im analogen Sein den digitalen Schein.

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