Pinterest: Buntes Bilderalbum in rechtlicher Grauzone

Berlin (dpa) - Ein Klick, und die Fotos hängen an der virtuellen Pinnwand: Mit diesem Prinzip macht das Soziale Online-Netzwerk Pinterest derzeit Furore. Wer selbst Collagen mit Fotos aus dem Web erstellen möchte, sollte sich zuvor Gedanken über das Urheberrecht machen.

Das Foto-Netzwerk Pinterest ist der Online-Dienst der Stunde - immer mehr experimentierfreudige Nutzer tummeln sich in den Fotowelten. Sie können dort eigene Collagen mit Fotos und Grafiken aus dem Web basteln und in den Bilderwelten anderer stöbern. Doch bevor der Hype-Dienst zum nächsten großen Ding werden kann, muss er ein gravierendes Problem lösen: Wie kommt die bunte Sammlung aus der rechtlichen Grauzone?

Die erste Version von Pinterest ging im März 2010 ans Netz. Der Name ist eine Wortschöpfung, die sich aus „pin“ (etwas anheften) und „interest“ (Interesse) zusammensetzt - und er erklärt, wie der Dienst funktioniert: Nutzer können über eine Browser-Erweiterung Fotos von beliebigen Webseiten an ihre virtuelle Pinnwand hängen. Mit den „Repin“-Knopf übernehmen sie Bilder aus anderen Galerien. Und dank Verknüpfung mit Facebook und Twitter erfahren die Freunde davon.

Kategorien helfen, Ordnung in die Alben zu bringen, etwa Lieblingsplätze, Lesenswerte Bücher, Photography oder „Hair & Beauty“. Sie helfen zudem bei der Entdeckung neuer Collagen. Dabei orientiert sich Pinterest am Follower-Prinzip, das Twitter bekannt gemacht hat: Mitglieder können Themen oder anderen Nutzern folgen und bekommen dann deren Fotos in einen bunten Bilderstrom geliefert.

Vor allem Frauen durchstreifen das Online-Netzwerk. Zu ihnen gehört Heike Kaufhold, die als Journalistin bei RTL II in Köln arbeitet und als Reisebloggerin aktiv ist. Sie findet bei Pinterest Inspiration: „Bevor ich auf Reisen gehe, suche ich nach netten Restaurants und kleinen Cafés. Das ist eine Alternative zum klassischen Reiseführer“, nennt sie ein Beispiel. Als ambitionierte Fotografin findet sie dort zudem neue Blickwinkel, die einen Besuch mit Kamera lohnen. Nach der Reise lädt Kaufhold einige Aufnahmen bei Pinterest hoch und verlinkt auf ihren Blog „Köln Format“. Auch deutsche Unternehmen pinnen mit: etliche Medienmarken wie „Zeit Online“, das „SZ Magazin“ und RTL II sind dabei, aber zum Beispiel auch Adidas.

Der Hype lenkt den Blick aber auch auf ein schwelendes Problem: das Urheberrecht. Denn Pinterest fragt nicht nach der Erlaubnis der Fotografen. „Die meisten deutschen Juristen kommen zu der Bewertung, dass Pinterest gegen das Urheberrecht verstößt“, sagt der auf Internet-Recht spezialisierte Anwalt Carsten Ulbricht in Stuttgart. Der rechtliche Grat sei hier schmal. „Fotos sind immer urheberrechtlich geschützt, egal wie trivial sie sind.“

Wer ein Bild an seine Pinterest-Pinnwand hängt, ohne nach Erlaubnis zu fragen, verletzt daher schnell die Rechte des Fotografen. Auch das Zitatrecht greife hier nicht - dafür müsste man sich mit den zitierten Inhalten auseinandersetzen, was bei der Pinterest-Fotoleiste aber nicht der Fall sei. Nutzer sollten sich daher Gedanken über das Urheberrecht des jeweiligen Fotografen machen, bevor sie Bilder aus dem Web benutzen, rät der Anwalt.

Meiden müssen sie den Dienst aber nicht gleich. Pinterest sei zwar nicht ohne rechtliche Risiken, sagt Ulbricht. Aber: „Von einer Abmahnung habe ich noch nichts gehört.“ Denn das sei auch für denjenigen, der abmahne, mit einigen Unwägbarkeiten verbunden.

Ulbricht rät Nutzern, vor dem Pinnen zu überlegen, ob der Website-Betreiber ein Problem mit einer Weitergabe des Bildes habe. „Wer ein Produkt verkauft, hat ja ein kommerzielles Interesse daran, dass andere die Bilder entdecken können“, nennt Ulbricht ein Beispiel - hier hat der Rechteinhaber in der Regel kein Problem mit einer Verbreitung seiner Bilder. Mancher Online-Shop dürfte nichts dagegen haben, dass seine Bilder von schicken Schuhen oder DVDs an anderer Stelle auftauchen - solange nur ein Link zur Original-Seite führt. Adidas etwa erlaubt das Weiterleiten der Fotos. Bei Künstlern oder kommerziellen Bildagenturen sei das aber vermutlich anders. „Konsequent ist: Wer Pinterest nutzen will, sollte sich anonym anmelden.“

Pinterest selbst ist durch die aktuelle Rechtsprechung abgesichert: Für Plattform-Betreiber gilt das Prinzip „Notice and takedown“, nach dem sie rechtswidrige Inhalte erst entfernen müssen, wenn sie einen Hinweis darauf erhalten haben. Pinterest bietet ein Formular zur Meldung von Urheberrecht verletzenden Inhalten an. Zudem können Website-Macher mit einem Code-Schnipsel verhindern, dass sich Bilder pinnen lassen. Wenn es hart auf hart kommt, bringt das Nutzern aber nicht viel, betont Ulbricht: „Das nimmt nicht diejenigen, die Inhalte eingestellt haben, aus der Haftung.“ Eine Abmahnwelle sieht er derzeit aber nicht. Zumal das Prinzip gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter.

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