Onlinesucht: Gefährdet sind vor allem ledige Männer ohne Job

Berlin (dpa/tmn) - Für Internetsucht sind einer neuen Studie zufolge vor allem Männer anfällig, und unter diesen besonders jene ohne Arbeit und Frau. Für Mädchen bergen eher Soziale Netzwerke Suchtpotential.

Eltern sollten die Mediennutzung ihres Kindes im Auge behalten.

Ledige und arbeitslose Männer sind laut einer Studie besonders gefährdet, sich so sehr in den Tiefen des Netzes zu verlieren, dass sie den Bezug zur Realität verlieren. Krankhafte Internetnutzung äußere sich darin, dass die Betroffenen ihr soziales Leben vernachlässigten, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), am Dienstag (9. Oktober) in Berlin. Darunter litten dann die Arbeit oder der Schulbesuch, mitunter auch einfache Dinge wie Essen und Waschen.

Nach einer jetzt neu vorgelegten Erhebung kommen 0,7 Prozent aller 25- bis 64-Jährigen in Deutschland nicht mehr von Online-Spielen oder Sozialen Netzwerken los. Mit 1,0 Prozent sei der Anteil bei Männern mehr als doppelt so hoch wie bei Frauen (0,4 Prozent), teilte Dyckmans (FDP) mit. Insgesamt gelten in Deutschland rund 560 000 Menschen zwischen 14 und 64 Jahren als „internetsüchtig“, wie aus einer bereits im August vorgelegten Studie der Universitäten Lübeck und Greifswald hervorgeht. Unter ihnen sind 250 000 im Alter von 14 bis 24 Jahren.

Der Begriff der Internet-Sucht ist jedoch wissenschaftlich umstritten. Einige Psychologen sehen in einer exzessiven Internet-Nutzung keine eigenständige Störung, sondern lediglich das Symptom einer psychischen Erkrankung wie der Depression. Andere fordern hingegen, exzessive Internetnutzung als eigenständige Krankheit einzuordnen. Bislang ist Internetabhängigkeit von der Weltgesundheitsorganisation nicht als Verhaltenssucht anerkannt.

Beim Thema Internetsucht denken viele zudem vorrangig an Onlinespiele - für Mädchen sind in dieser Hinsicht aber eher Facebook & Co gefährlich. Fast alle internetsüchtigen Mädchen seien durch Soziale Netzwerke in die Abhängigkeit geraten, sagt Bernd Werner von der Stiftung Medien- und Onlinesucht. „Sie denken ständig daran, was gerade im Netzwerk passiert.“ Darin fühlten sich Mädchen eingebunden. Sie nutzten es, um in der Clique mitreden zu können. „Da besteht auch ein Druck innerhalb der Peer-Group.“

Noch fehle die Sensibilität dafür, dass auch dieses Verhalten abhängig machen kann, warnt Werner. Beim Thema Computerspiele läuten bei Eltern schneller die Alarmglocken - vom Zocken werden aber eher Jungen abhängig. Eltern können die Internetsucht bei Mädchen allerdings an den gleichen Anzeichen erkennen wie bei Jungen. „Zum einem am Kontrollverlust“, beschrieb Werner. „Ich kann nicht mehr kontrollieren, wie lange ich im Internet bleibe.“ Zweites Merkmal ist die Toleranzentwicklung: „Ich toleriere bewusst, dass ich wegen meines Verhaltens Stress mit den Eltern bekomme oder schlechtere Noten in der Schule.“ Das gefährlichste Anzeichen sei aber, wenn Freunde, Hobbys oder sogar die Körperpflege zu kurz kommen.

Für Eltern ist es wichtig, die Mediennutzung ihres Kindes zu beobachten. Das sei leichter, wenn der Computer nicht im Kinderzimmer stehe. „Sondern an einem Ort, an dem die Eltern öfter vorbeigehen“, empfiehlt Werner. Auch sollten Mädchen und Jungen nicht zu früh eigene Smartphones bekommen. „Alle anderen haben auch schon eins“ - diesen Satz können Eltern laut Werner getrost ignorieren. Eltern sollten außerdem Zeitlimits mit ihren Kindern vereinbaren - und sich dafür interessieren, was ihr Kind etwa auf Facebook macht. Das lasse sich zum Beispiel beim gemeinsamen Abendessen besprechen - „gefällt mir nicht“ reicht als Kommentar von Mutter oder Vater nicht aus.

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