Mobben und drohen: Vom rauen Umgangston im Netz

Aurich/Düsseldorf (dpa) - Ein Mädchen wird ermordet, ein Unschuldiger gerät unter Verdacht. Nach seiner irrtümlichen Festnahme wird er im Internet mit Drohungen überschüttet. „Lass uns das Schwein tothauen“, postet ein 18-Jähriger im Sozialen Netzwerk Facebook im März 2012.

Der Mord an der elfjährigen Lena aus dem ostfriesischen Emden hatte ihn derart aufgewühlt, dass er zur Lynchjustiz aufrief. „Gefällt mir“ reagierten damals viele Leser im Netz. Ein Ausnahmefall oder Anzeichen für die Verrohung des Umgangs miteinander im Internet?

An diesem Dienstag (11. Juni) steht ein 19 Jahre alter Ostfriese nach einem öffentlichen Aufruf zur Selbstjustiz vor dem Auricher Amtsgericht in Niedersachsen. Auch er hatte per Internet im Mordfall Lena gegen den irrtümlich Verhafteten gehetzt: „Auf zur Polizeiwache, lasst uns das Schwein mit Steinen beschmeißen.“

„Solche Extremfälle sind nicht alltäglich“, sagt der Strafrechtler Udo Vetter aus Düsseldorf. „Dieser Lynchaufruf bekam aber bundesweit besondere Aufmerksamkeit, weil auch Taten folgten.“ Denn nach den Facebook-Einträgen hatten bis zu 50 Menschen vor dem Emder Polizeihaus die Herausgabe des vermeintlichen Täters verlangt.

Für den Lynchaufruf war der 18 Jahre alte Autor später zu zwei Wochen Jugendarrest verurteilt worden. „Das war schon ein deutliches Signal des Staates: Beim Aufruf zu Straftaten gibt es Ärger. Da ist dann die Grenze zur freien Meinungsäußerung klar überschritten“, sagt Vetter.

Anders liegen Fälle, in denen sich Jugendliche per Internet nur Luft verschaffen wollen. Da werden schon mal ein „Ausflippen“ oder gar ein Amoklauf angekündigt. Solange solche Drohungen nur im Freundeskreis kursieren, passiert wenig. Erfahren die Behörden davon, rollen allerdings Verfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens an, mit unterschiedlichen Urteilen. So wurde ein Schüler in Bayern zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt, ein ähnlicher Fall in Nordrhein-Westfalen ergab einen Freispruch.

„Der Staat schwingt da ein sehr scharfes Schwert“, kritisiert Strafrechtler Vetter. Für ihn stehen die positiven Seiten des Internets klar vor den Nachteilen: „99,99 Prozent der Internet-Kommunikation in sozialen Netzwerken sind weder strafbar noch anrüchig, sondern bringen die Menschen in positivem Sinne zusammen.“

Vielleicht wird der Umgangston im Netz aber rauer, weil Konflikte wegen der ständigen Internetverbindung über Smartphones mehr virtuell als persönlich ausgetragen werden, wie Sabine Mosler von der niedersächsischen Landesmedienanstalt in Hannover sagt. Obgleich: „Mobbing gab es schon immer, vor allem auf dem Schulhof“, ergänzt sie. Attacken im Netz wirkten jedoch stärker, da sie schneller kämen, eine größere Reichweite hätten und nicht einfach gelöscht werden könnten.

Schon lange gilt die Etikette, nur Sätze zu schreiben, die sich die Betroffenen auch selbst ins Gesicht sagen könnten. „Das direkte Gespräch ist überhaupt das Mittel der Wahl, um Mobbern die Folgen ihrer Aktionen aufzuzeigen“, sagt Mosler. Da die meisten Cybermobber im Zusammenhang mit Schule aus dem Bekanntenkreis kämen, ließen sie sich oft schnell ausfindig machen und zur Rede stellen.

Auf der Onlineplattform www.juuuport.de, die von Mosler koordiniert wird, beraten speziell ausgebildete Jugendliche Gleichaltrige bei Problemen wie Cybermobbing und Internet-Abzocke. „Wichtig ist, dass auch Eltern achtsam sind, hinschauen und nachfragen“, rät Mosler. Allerdings hat die Jugendschutzreferentin ähnlich aggressive Töne wie bei Schülern auch in Foren von Erwachsenen beobachtet - „schlechte Vorbilder für Jugendliche“.

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