Island befragt US-Botschafter zu Wikileaks und Twitter

Reykjavik/Genf (dpa) - Der Konflikt um die Enthüllungsplattform Wikileaks belastet die Beziehungen zwischen den USA und Island.

Auslöser sind Berichte, wonach ein Bundesgericht im US-Staat Virginia den Internet-Dienst Twitter aufgefordert haben soll, Informationen über Wikileaks-Unterstützer zu übergeben. Davon soll auch eine isländische Parlamentsabgeordnete betroffen sein. Am Montag trafen Beamte des Außenministeriums in Reykjavik deswegen mit dem US- Botschafter zusammen.

Bei der Unterredung sei es um Informationen zu der strafrechtlichen Untersuchung gegen eine isländische Abgeordnete gegangen, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums. Weiter hieß es, die Abgeordnete Birgitta Jonsdottir genieße als Parlamentarierin Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung. Außenminister Ossur Skarphedinsson hatte am Wochenende in einem Rundfunkinterview von einem „inakzeptablen Verhalten einer ausländischen Behörde“ gesprochen.

Jonsdottir brach am Montag zu einer Konferenz in Kanada auf. In einer Twitter-Mitteilung schrieb sie, dass sie nicht über die USA, sondern über London fliegen werde.

Unterdessen äußerte sich Wikileaks-Gründer Julian Assange besorgt über die hohen Kosten der Enthüllungsplattform im Internet. „Seit Beginn der Veröffentlichung der Botschaftsdepeschen verlieren wir wöchentlich mehr als 600 000 Franken“, sagte Assange der Schweizer Zeitung „24heures“ - umgerechnet sind das mehr als 480 000 Euro. „Damit wir unsere Aktivitäten fortsetzen können, müssen wir dieses Geld auf die eine oder andere Weise zurückbekommen.“

Wikileaks finanziert sich hauptsächlich über Spenden. Die Ende November 2010 begonnene und noch nicht abgeschlossene Veröffentlichung von vertraulichen Mitteilungen aus US-Botschaften in aller Welt ist das bislang größte Projekt der Enthüllungsplattform. Die USA haben scharf gegen die Veröffentlichungen protestiert, die interne Einschätzungen von Diplomaten weltweit bekannt gemacht haben. Mehrere US-Firmen haben ihre Geschäftsbeziehungen zu Wikileaks abgebrochen, was einen Proteststurm von Anhängern im Internet ausgelöst hat.

Der mit einem britischen Verlag geschlossene Buchvertrag für seine Autobiografie bringe ihm erst in einigen Jahren 1,1 Millionen Pfund (1,3 Millionen Euro) ein, wenn das Buch ein Erfolg werden sollte, sagte Assange und wies damit Berichte über höhere Beträge zurück. Er zeigte sich entschlossen, das Wikileaks-Projekt wie bisher weiterzubetreiben.

Zu den anstehenden gerichtlichen Anhörungen in Großbritannien sagte Assange, dazu könnten nur seine Anwälte Auskunft geben. Dem australischen Aktivisten werden in Schweden Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorgeworfen. Am 7. Dezember stellte er sich in London der Polizei. Anschließend kam er gegen Kaution auf freien Fuß. Am Dienstag soll es in London eine Anhörung zum weiteren Vorgehen geben.

Assange lebt derzeit auf dem Anwesen eines in Südostengland. Er muss eine elektronische Fußfessel tragen und sich täglich bei der örtlichen Polizeistation melden. Zu den Auflagen der britischen Justiz sagte Assange: „Ehrlich gesagt wäre ich nicht gegen etwas mehr Sonne und mehr Freiheit. Ich reise gern, ich fühle mich also ein bisschen wie ein Vogel im Käfig.“

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