Internet-Organisation ICANN will sich globaler aufstellen

Berlin (dpa) - Die Gestaltung der Rahmenbedingungen für das Internet soll internationaler werden und frei von staatlicher Bevormundung bleiben.

Diese Forderung bestimmte am Montag eine Fachtagung über die „Internet Governance“, also zu den Grundsätzen und Normen für die Nutzung und Weiterentwicklung des globalen Netzes.

„Es ist sehr wichtig, dass wir Afrika und Lateinamerika mit einbeziehen“, sagte der ägyptische Netzexperte und Berater der Internet-Organisation ICANN, Tarek Kamel. Dabei sollten die Regierungen zwar eine wichtige, aber keine dominierende Rolle spielen.

Das Internet sei ein internationales, grenzüberschreitendes Phänomen, das auf Gleichheit, Offenheit und allgemeiner Zugänglichkeit beruhe, sagte Kamel in Anlehnung an die Beschlüsse des Weltinformationsgipfels 2005 in Tunis.

Die ICANN ist eine von mehreren Organisationen, die sich um die technischen Grundlagen des Netzes kümmern. Die Staaten haben dort nur eine beratende Rolle. Viele Regierungen stoßen sich aber am Sitz der ICANN in Kalifornien, womit die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers der US-Rechtsprechung unterliegt. Kamel nannte die Internationalisierung der ICANN als eine herausragende Aufgabe. Schon 2015 werde Chinesisch das Englische als Internetsprache Nummer eins ablösen.

„Das Internet ist nicht identisch mit den USA“, sagte das deutsche ICANN-Vorstandsmitglied Erika Mann. „Es ist geprägt von vielen Teilnehmern.“ Dabei müssten die nationalen Regierungen die Bereitschaft entwickeln, in bestimmten Bereichen Kompetenzen abzugeben. „Man muss anders miteinander reden, sonst kann man in der Internetwelt schlecht überleben“, betonte Mann, die das Brüsseler Lobby-Büro des weltgrößten Online-Netzwerks Facebook leitet.

Die ICANN vertritt den „Multi-Stakeholder-Ansatz“, also das Mitwirken von Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft in allen Entscheidungsprozessen. Dieser Ansatz müsse nicht nur international, sondern auch auf nationaler Ebene weiterentwickelt werden, sagte Kamel. Dies geschehe bislang noch zu wenig.

Für das Bundeswirtschaftsministerium sagte Hubert Schöttner, neben der ICANN habe auch die Internationale Fernmeldeunion (ITU) eigene Zuständigkeiten bei der Weiterentwicklung des Netzes. „Ohne vernünftige Telekommunikationsinfrastruktur ist ein Internet nicht möglich.“

Allerdings scheiterte im Dezember vergangenen Jahres der Versuch der ITU, die Telekommunikationsrichtlinien erstmals seit 1988 zu verändern und allgemeine Bestimmungen zum Internet mit aufzunehmen. Dabei stritten Russland, China und arabische Staaten auf der einen Seite und westliche Regierungen auf der anderen um das Ausmaß von staatlicher Internet-Regulierung.

Die Beziehungen zwischen ITU und ICANN seien über längere Zeit hinweg nicht besonders gut gewesen, sagte Kamel. Jetzt bemühten sich beide Seiten aber um einen konstruktiven Dialog: „Wir wollen einen Cyberkrieg vermeiden, wir wollen Brücken schlagen!“

Die Berliner Tagung diente der Vorbereitung des deutschen Beitrags für die Jahreskonferenz der Organisation Internet Governance Forum (IGF) im Oktober auf der indonesischen Insel Bali. Das IGF wurde 2006 als internationale Diskussionsplattform auf Initiative der Vereinten Nationen gegründet.

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