Feature: Wütende Nutzer lehren Instagram und Facebook Respekt

New York/Berlin (dpa) - Es dauerte gerade einmal einen Tag, bis der Zorn der Nutzer den Fotodienst Instagram in die Knie zwang. „INSTAGRAM WILL EURE FOTOS VERKAUFEN!“, riefen die Schlagzeilen von nahezu jeder Ecke im Netz.

Das stimmte eigentlich nicht, auch wenn die Formulierungen der angekündigten neuen Regeln Instagram viele Freiheiten zur Vermarktung von Nutzerdaten versprachen. Doch die alarmierende Interpretation, das Instagram die Bilder verkaufen oder zumindest in Werbeanzeigen packen könnte, verbreitete sich im Internet wie ein Lauffeuer.

Nutzer empörten sich bei Twitter und Facebook und kündigten an, Instagram den Rücken zu kehren. Bei Diensten wie Instaport, wo man seine Instagram-Bilder sichern kann, liefen plötzlich die Drähte heiß. Die Situation geriet für die Fotoplattform außer Kontrolle und am späten Dienstag schickte der neue Eigentümer Facebook Instagram-Mitgründer Kevin Systrom mit Worten der Einsicht vor das wütende Volk. Alles ein Missverständnis, erklärte er - „und es ist unser Fehler, dass die Formulierungen verwirrend waren“.

Tatsächlich wolle Instagram nur mit innovativeren Werbeformen experimentieren, erklärte Systrom. Schließlich sei von Anfang an geplant gewesen, mit dem Fotodienst Geld zu verdienen. Die neuen Regeln sollen demnach zum Beispiel erlauben, dass Nutzer angezeigt bekommen, wer von ihren Freunden dem Fotostrom einer bestimmten Firma folgt.

Das klingt harmlos. Allerdings war es nahezu unmöglich, eine solche Funktion in der Formulierung zu erkennen, die die Nutzer auf die Palme brachte. Schließlich sollten sie sich damit einverstanden erklären, dass Instagram-Partner ihre „Benutzernamen, Abbild, Fotos (zusammen mit allen anhängenden Metadaten) und/oder Aktionen, die sie vornehmen“ im Zusammenhang mit Werbekampagnen oder gesponserten Inhalten anzeigen können. Instagram bekäme dafür Geld - und die Nutzer, denen die Fotos gehören, keins. Eine Möglichkeit, Einspruch zu erheben, war nicht vorgesehen. Ach ja, und Werbung wird auch nicht unbedingt als solche gekennzeichnet, wie es ergänzend hieß.

Sehen harmlose Funktionen immer gleich erschreckend aus, wenn man sie in juristische Formeln packt? Oder hat die Wachsamkeit der Nutzer und Medien doch ein Schlupfloch für eine zukünftige Ausbeutung von Kundendaten gestopft? Das dürfte sich erst zeigen, wenn Facebook und Instagram ihre Geschäftsmodelle für das Foto-Netzwerk in die Praxis umsetzen.

Jedenfalls ist es üblich, dass die Hausregeln Online-Diensten - egal ob Instagram, Facebook oder Twitter - weitreichende Verwendungsrechte für Inhalte der Nutzer gewähren. Schon für den eigentlichen Zweck, nämlich die Fotos der Anwender online zeigen zu können, müssen sich die Dienste von den Anwendern bestimmte Rechte einräumen lassen. Die Daten gehören dann zwar weiterhin den Verbrauchern. Aber sie können die Bilder und Texte unter Umständen nicht einmal mehr von den Servern des Unternehmens entfernen. „Bei Facebook sind die Nutzer das Produkt“, ist die Erklärung des IT-Sicherheitsexperten Bruce Schneier. Für kostenlose Dienste bezahlten die Menschen mit ihren Daten. Und die weitaus meisten Anwender lesen die langen und trockenen Nutzungs- und Datenschutz-Regeln gar nicht erst.

„Was immer dir an schlechten Absichten unterstellt werden kann, wird dir unterstellt werden“, so laute das neue „Murphys Law“ der Kommunikation, argwöhnte bei Twitter der deutsche PR-Experte Mirko Lange. Bei den weitreichenden Formulierungen der Instagram-Regeln brauchte man zwar nicht einmal viel Fantasie, um sich seine Fotos inmitten einer Werbekampagne vorzustellen. Allerdings scheint das Misstrauen gegenüber Instagram mit dem Kauf durch Facebook auch gestiegen. Das weltgrößte Online-Netzwerk hat sich in den vergangenen Jahren zwar viel Mühe gegeben, den Umgang mit Nutzerdaten transparenter zu machen. Doch der Ruf einer „Datenkrake“ hängt Facebook immer noch an.

Ein Wendepunkt für das Online-Netzwerk war eine Datenschutz-Änderung im Jahr 2009. Damals wurden die Voreinstellungen für das Teilen von Inhalten auf „Alle“ gesetzt. Den meisten Nutzern war nicht bewusst, dass damit nicht aller ihre Freunde, sondern die ganze Welt gemeint waren. Massenhaft wurde Privates öffentlich gemacht. Die Verwirrung ging soweit, dass mehrere private (und wenig aufregende) Fotos von Gründer Mark Zuckerberg für alle sichtbar wurden. Facebook bezahlte mit strengen Verpflichtungen bei US-Regulierern und unterrichtet die Nutzer seitdem penibel über kleinste Änderungen. Im Fall von Instagram allerdings wurden die wichtigen Neuerungen stillschweigend im Text vergraben.

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