„Digitaler Radiergummi“ soll Verbraucher schützen

Berlin (dpa) - Die Idee klingt auf Anhieb gut: Ins Internet gestellte Daten, etwa die Fotos von der letzten Party, sollen nach ein paar Wochen automatisch wieder verschwinden.

Vor dem nächsten Bewerbungsgespräch kann dann kein Personalchef die möglicherweise peinlichen Dokumente bei Facebook oder auf anderen Webseiten finden. Der Entwickler eines solchen „digitalen Radiergummis“ hat seine Software am Dienstag im Verbraucherschutzministerium in Berlin vorgestellt.

Das Zusatzprogramm für den Internet-Browser Firefox hat den sprechenden Namen X-pire - das englische Verb „to expire“ bedeutet „erlöschen“. Schnell und einfach zu bedienen, wählt man damit die Fotos aus, die ein Verfallsdatum bekommen sollen. Dieses kann frei gewählt werden. Dann wird das jpg-Foto mit einem letzten Mausklick verschlüsselt. Nach dem Ende der Verfallszeit seien diese Daten „nicht mehr sichtbar und werden auch nicht sichtbar gemacht werden können“, sagt der Informatiker Prof. Michael Backes aus Saarbrücken, der mit seinem Team die Software entwickelt hat.

Das Programm soll nach seinen Angaben voraussichtlich in der kommenden Woche fertiggestellt werden. Kostenlos ist es allerdings nicht: Nutzer müssen monatlich 9,90 Euro oder nach Anzahl der bearbeiteten Bilder zahlen.

Eine ähnliche Verschlüsselungslösung entwickelt auch ein Team an der Universität des US-Staates Washington. Das „Vanish“-Projekt will erreichen, dass sich digitale Daten aller Art, also nicht nur Fotos, nach einer bestimmten Zeit selbst zerstören. Der Haken: Solange die Daten sichtbar sind, können sie kopiert und ohne Verfallsdatum weiterverbreitet werden. Auch von den mit X-pire geschützten Fotos kann man während ihrer Sichtbarkeit auf Facebook Screenshots anfertigen und kopieren. Backes räumt daher ein, dass die Lösung „kein Freifahrtschein“ sein könne.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) aber will sich mit dem vielzitierten Satz „Das Internet vergisst nichts“ nicht zufrieden geben: „Wie kann ich gewährleisten, dass Daten vollständig wieder gelöscht werden können?“, fragte sie während einer Expertenrunde in ihrem Ministerium die anwesenden Datenschützer, Branchenvertreter und Angehörige der Netz-Community. „Gibt es ein Recht auf Vergessen?“

Die Experten lassen die Hausherrin ohne Antwort. Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club meint zum „digitalen Ratzefummel“ X-pire: „Ich möchte nur ungern eine technische Lösung abnicken, die bei Leuten nicht greift, die es nicht gut meinen.“ So etwas könne mehr Schaden als Nutzen stiften, wenn sich die Nutzer in einem falschen Gefühl der Sicherheit wögen.

Etwas positiver fällt die Einschätzung der hauptamtlichen Datenschützer aus. „Das ist natürlich kein Allheilmittel, aber ein Vorschlag in die richtige Richtung“, sagt der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar und macht deutlich, dass es für ihn drängendere Probleme gibt: Werkzeuge wie der „Friendfinder“ von Facebook gingen „weit über das hinaus, was Geheimdienste in ihren Schubladen haben“. Es sei ein Riesenproblem, wenn Millionen von Facebook-Mitgliedern dem Unternehmen ihre E-Mail-Adressbücher offenlegten, um neue Kontakte zu finden. Er hoffe, dass es in dieser Frage schon bald eine Lösung gebe.

Matthias Ehrlich vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) bringt den Kern der Probleme mit Facebook oder Google auf den Punkt: „Unsere amerikanischen Kollegen denken beim Datenschutz völlig anders als wir.“ Da könnten doch Anbieter mit datenschutzfreundlichen Regelungen einen Vorteil haben, deutet Aigner an - der Verbraucher müsse nur die Möglichkeit nutzen, sich für einen Anbieter zu entscheiden, der besonders sicher sei, wünscht sich die Ministerin.

Die vielen Facebook-Mitglieder kümmern sich aber kaum um den Datenschutz, weiß Jutta Croll von der Stiftung Digitale Chancen. „Sie gehen dorthin, wo ihre Freunde sind.“

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