Bücher auf Reisen: Zehn Jahre „Bookcrossing“

Berlin (dpa) - Fast wie Flaschenpost: Jemand legt irgendwo ein Buch aus, ein anderer sammelt es ein - Stunden oder Wochen später. Der Finder liest das Buch, schreibt einen Eintrag in ein Web-Forum und lässt es wieder frei.

So funktioniert Bookcrossing - seit zehn Jahren.

Ein lauer Frühlingstag in einem Park. Auf einer Bank liegt ein Buch, ganz so, als habe es jemand dort vergessen. Doch was wie Zufall aussieht, ist pure Absicht. Der Roman soll einen neuen Besitzer finden. Ein Fußgänger entdeckt das Werk, liest den Klappentext - und steckt es ein. So könnte eine typische Bookcrossing- Situation aussehen. Dabei entlassen Buchfreunde ihre Schätze „in die Wildnis“ - wie es im Jargon heißt - und sammeln selbst Bücher ein, die andere irgendwo platziert haben. In einem Café, im Zoo, am Strand - oder eben auf einer Parkbank.

Menschen auf der ganzen Welt lassen Bücher frei. Aussetzer und Finder können sich auf www.bookcrossing.com registrieren und den Reiseweg ihres Fundes nachverfolgen. Das funktioniert, weil in jedes Buch eine Identifikations-Nummer geklebt oder geschrieben wird - im deutschsprachigen Raum oft zusammen mit der Erklärung: „Nimm mich mit, lies mich und lass mich wieder frei.“ Das Bookcrossing-Team sitzt im US-Staat Idaho. Vor zehn Jahren stellte es die Seite online.

Es gebe derzeit rund 930 000 Bookcrosser und 8 Millionen Bücher, die durch 132 Länder reisen, heißt es auf der Bookcrossing-Website. In Deutschland machen rund 50 000 Nutzer mit. Mehr Bücherwürmer sind nur in den USA (rund 318 000) und Großbritannien (etwa 81 000) registriert. Ein soziales Netzwerk bekommen Buchfreunde also gleich mitgeliefert. Auf der kostenlosen Website geben viele auch Bewertungen der gelesenen Werke ab. Die Initiatoren bezeichnen Bookcrossing als „Bibliothek für die ganze Welt“.

Eine 33-jährige Berlinerin macht seit drei Jahren als „BerlinBookworm“ beim Bookcrossing mit. Auf einem Seminar erzählte ihr eine junge Frau von dem Projekt. „Ich war sofort Feuer und Flamme und bin seitdem mit voller Leidenschaft dabei“, sagt sie. Besonders gut gefallen ihr die sogenannten Bücherringe, bei denen in der Bookcrossing-Gemeinschaft Lesestoff zirkuliert. Wer mitmachen möchte, äußert diesen Wunsch im Internetforum oder schreibt den Initiator direkt an. Dann heißt es nur noch warten. Am Ende der Rundreise kommt das Buch zurück zum ersten Versender.

Hin und wieder startet „BerlinBookworm“ selbst einen Ring. Einmal machten sechs Nutzer mit, nach etwa neun Monaten kam das Buch wohlbehalten wieder bei ihr an. „Es ist sehr gut gepflegt worden“, versichert sie.

Beim Bookcrossing können Nutzer auch Wunschtitel angeben. Wer ein Buch aus seinem Besitz auf der Liste eines anderen Nutzers findet, könne es ihm einfach per Post zuschicken, erzählt die Berlinerin. „Diese Nächstenliebe in der Community finde ich toll.“ Das System beruhe auf Gegenseitigkeit, jeder profitiere einmal.

Auf ihrer eigenen Wunschliste stehen etwa 70 Bücher. „Ich habe schon jede Menge bekommen.“ Aber auch selbst verschickt. Einmal habe ein Südafrikaner angefragt, ob sie ihm ihre Ausgabe des alten Mädchen-Buchs „Trotzkopf“ zuschicken wolle. Sie wollte - und der Roman ging auf Weltreise. International unterwegs seien sonst eher englischsprachige Bücher, sagt die junge Frau. Über „Bookcrossing“ hatte sie Kontakt mit Lesern in aller Welt, von Australien über Finnland bis Luxemburg. Das erklärte Ziel von „Bookcrossing“ scheint erreicht: Menschen durch Bücher miteinander zu verbinden.

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