Wieder ein Fall wie Kandel

Der Fall des ermordeten Wiesbadener Mädchens Susanna wirkt wie ein zweiter Fall Kandel und wird die Kritiker der Asylpolitik erneut mobilisieren. Der Mord an sich markiert dabei nicht die eigentliche politische Dimension.

Ein pubertierendes Mädchen verbringt seine Freizeit im Umfeld von Heimen und trifft sich dort mit Jungs — so etwas geht nicht immer gut. Die Tat, so abscheulich sie ist, hat nichts mit der Nationalität von Opfer und Tätern zu tun. Die hätte auch umgekehrt verteilt sein können. Und wahr ist auch, dass so ein Ereignis nichts aussagt über junge Männer generell, auch nichts über junge Flüchtlinge.

Auf der Seite der mutmaßlichen Täter aber offenbart dieser Mord wie unter einem Brennglas alles, was schiefgelaufen ist seit der großen Flüchtlingszuwanderung im Jahr 2015: Antragsteller, deren Asylgründe komplett vorgeschoben sind und die damit sehr weit kommen; Identitäten, die frei erfunden werden. Nicht einmal fällt auf, dass bei der Flucht einer ganzen Großfamilie zurück in das Land ihrer angeblichen Verfolgung am Düsseldorfer Flughafen Dokumente mit verschiedenen Namen vorgezeigt werden. Einer der Tatverdächtigen war massiv kriminell auffällig und als Asylbewerber schon vor vielen Monaten abgelehnt. Trotzdem durfte er in Deutschland bleiben.

Der Fall zeigt: Wer wollte, konnte den 2015 eingetretenen Kontrollverlust ausnutzen — und kann es offensichtlich bis heute. Wie blauäugig sind die Behörden? Und wie schlecht organisiert? Der Skandal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zeigt: extrem schlecht. Das Asylverfahren und die Rechtslage müssen human sein und bleiben. Aber sie dürfen dem Missbrauch auch nicht länger Tür und Tor öffnen. Das ist, jenseits einer rückwärtsgewandten Betrachtung über Fehler in der Vergangenheit, die eigentliche Aufgabe, die vor der großen Koalition liegt. Sie sollte sich nicht täuschen, wie groß die Wut nach solchen Straftaten ist.

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