Warum Vettels Triumph viele kalt lässt

Am Sonntag fährt der Formel-1-Fahrer wohl zum vierten Titel.

Wenn er siegt, schlägt ihm jetzt häufig Missfallen entgegen. Wenn er Weltmeister wird, empören sich die einen, die anderen zucken mit der Schulter. Der deutsche Rennfahrer Sebastian Vettel wird am Sonntag in Indien wohl zum vierten Mal Formel-1-Weltmeister. Vettel wird dann wie mechanisch den rechten Zeigefinger heben und schmissig in den Teamfunk jubeln. Aber er wird mit diesen standardisierten Riten emotional nur noch wenige erreichen. Was ist da schief gelaufen?

Diese Republik hat viele Sportler zu Helden gefeiert. Schmeling und Maske, Graf und Becker, Beckenbauer oder Vettels Branchenkollegen Michael Schumacher. Aber im Fall des 26-jährigen Heppenheimers versagt sie die tiefe Zuneigung — obwohl Vettel der jüngste Vierfach-Weltmeister aller Zeiten sein wird. Das hat Gründe.

Der dauerhafte Erfolg macht auch den Zuschauer satt. Nach dem x-ten (und in Wahrheit sind es schon 35) Grand-Prix-Erfolg muss mehr kommen als die am Reißbrett geplante Fahrt auf das Podium. Wer die Menschen nicht auch ein Stück weit an seinem Leben teilhaben lässt, wer keine Schwäche zeigt, wird sie nicht hinter sich versammeln. „Er konzentriert sich nur auf seine Aufgaben und ignoriert all die Blödheiten drum herum“, sagt Helmut Marko, Motorsportdirektor von Red Bull. Man könnte auch sagen: Vettel ist die neutrale Person, die eine Branche voller Mythen mit all seiner Nüchternheit komplett zu entzaubern droht.

Vettel zahlt seine Steuer in der Schweiz und nicht in Deutschland, er hat eine Freundin, die man kaum kennt. Er sagt selten Sätze, die es in die Schlagzeilen schaffen. Und wenn doch, dann nimmt er sie tags darauf wieder zurück. Die Kanten, anhand derer man zu ihm aufklettern könnte, gibt es nicht. Dazu gewinnt der verhinderte Held für Red Bull, für ein Team, das den Charme der Fußballer aus Wolfsburg und Hoffenheim auf sich vereint. Viel Geld, wenig Tradition.

Team und Fahrer sind eine sterile Gesamtmaschinerie, die in Zahlen und Statistiken denkt. Nur ein Wechsel auf Tradition würde dem begnadeten Rennfahrer eine Chance auf Heldentum gewähren. Dumm nur: Vettel hat seinen Vertrag just bis 2015 verlängert.

Sie passen so gut zusammen.

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