Meinung Ungenießbare Verachtung

Essen kann ekelig sein oder ein Hochgenuss. Die Spannbreite reicht von ranzigem Frittierfett in drittklassigen Imbissbuden über grundsolide Hausmannskost in unzähligen Spielarten bis zu kreativen Sterne-Menüs.

Meinung: Ungenießbare Verachtung
Foto: Sergej Lepke

Würde ein Präsident behaupten, das gesamte Essen in seinem Land sei ungenießbar, man müsste ihn angesichts dieses hanebüchenen Angriffs auf ein gesellschaftliches Grundbedürfnis für verrückt erklären.

Dass Donald Trump nicht mit den Korrespondenten dinieren will, die aus dem Weißen Haus berichten, obwohl dort vermutlich vorzügliches Essen serviert wird, werden beide Seiten und der Rest der Welt überleben. Nicht überleben wird die Demokratie, wenn die Strategie von Trump und seinen Einflüsterern aufgeht, die Medienverachtung durch ein Dauerstakkato der Verleumdung gesellschaftlich salonfähig zu machen.

Freie Presse ist das Grundnahrungsmittel jeder freien Gesellschaft. Auch sie kann ekelig sein oder ein Hochgenuss. Was sie nicht ist: ein ungenießbarer Einheitsbrei. Jeder Gang durch einen beliebigen Bahnhofskiosk belegt, wie groß die Vielfalt der Darstellungen und Meinungen ist. Das Zerrbild eines Mainstream-Journalismus, der von dunklen Mächten auf Linie getrimmt wird, hat nie gestimmt — jedenfalls nicht in einer freien Gesellschaft, die diesen Namen verdient.

Einheitsberichterstattung ohne Duldung von Abweichungen nennt man Propaganda. Und die gehört zu den Wesensmerkmalen von Diktaturen und Diktatoren, die zu schwach und klein sind, Kritik auszuhalten. Die Stärke und Größe demokratischer Politiker misst sich unter anderem daran, welche Achtung sie einer unabhängigen, womöglich auch ungerechten Berichterstattung entgegenbringen, auch wenn sie selbst betroffen sind.

Wenn der mächtigste Mann der Welt die Medien verachtet, verachtet er damit einen demokratischen Grundpfeiler. Das allerdings ist in der Tat ungenießbar.

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