Meinung Schade um Schröder

Man muss in der Debatte um Gerhard Schröders Russland-Engagement zuerst mal die Nebelkerzen und Blendgranaten entsorgen, um auf den Kern zu kommen. Die Angriffe aus der CSU etwa. „Söldner Putins“, wie Generalsekretär Andreas Scheuer sagte.

Das ist Wahlkampf pur, man kann sogar sagen Wahlkampfpolemik. Neben Schröder hat (die AfD und die Linken mal ausgenommen) kein deutscher Politiker die einmütige Haltung des Westens gegenüber Russland politisch so unterlaufen, wie CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer. Und Karl-Theodor zu Guttenberg hielte sich mit Beschimpfungen („Gazprom-Gerd“) sowieso besser zurück. Der sitzt im Glashaus und hat genug eigenen Spitznamen. Ebenso sollte die FDP ihre moralische Kritik herunterfahren. Ex-FDP-Minister arbeiten als Rüstungslobbyisten.

Eine Nebelkerze werfen auch die Grünen wegen des hohen Gehalts, das Schröder verdient. Warum soll Schröder nach dem Amt und im Pensionsalter nicht dazu verdienen — wie auch Joschka Fischer oder Otto Schily. Wie Peter Gauweiler und Franz Josef Jung? Er muss ja auch leben und hat schon wegen der Scheidungen hohe Kosten. Dass ein Kanzler hinterher nicht als Lagerarbeiter weiter macht, ist eigentlich selbstverständlich. Das ist eine Neiddebatte. Es geht um den politischen Zusammenhang des Jobs. Nicht ums Gehalt.

Blendgranaten wirft aber vor allen Dingen Schröder selbst mit seiner Warnung vor einer „Dämonisierung Russlands“. Darum geht es genau nicht. Dies ist keine Russland-Debatte, sondern eine Debatte um ihn und seine eigenen Maßstäbe. Welche Werte leiten ihn? Ist das der Mann, den man einst aus Überzeugung gewählt hat? Den man vielleicht sogar bewundert hat? Seine SPD steht für Menschenrechte, Freiheit, Völkerverständigung und all das. Er selbst stand dafür. Aber nicht nur Putin und sein System haben damit ein Problem — siehe die Willkürjustiz, siehe die Einschränkung der Pressefreiheit — sondern auch Schröders Arbeitgeber Rosneft selbst. Der Konzern profitierte davon, dass der Konkurrent Yukos zerschlagen und dessen Eigner Michael Chodorkowski nach willkürlichen Prozessen für viele Jahre ins Gefängnis geworfen wurde. Schröder kann jedenfalls weder Chodorkowski noch irgendeinem anderen Menschenrechtler in Russland heute direkt in die Augen sehen. Und damit eigentlich überhaupt keinem überzeugten Menschenrechtler der Welt mehr. Und das ist ein Armutszeugnis für jeden der sich ehemaliger deutscher Bundeskanzler nennt. Für einen SPD-Mann erst recht.

Zudem übernimmt er den Job, just da Russland sich völkerrechtswidrig die Krim geholt hat, massiv aufrüstet und seine Nachbarn bedroht. Kein Thema für den Altkanzler? Seine Angriffe auf Trump stimmen, der ist viel unberechenbarer als Putin, aber sie sind trotzdem nur ablenkendes Geplärre. Denn bei Trump will Schröder ja nicht anheuern, sondern bei Putin. Ohne den hätte er diesen Job nicht. Also reden wir über den.

„Es geht um mein Leben, und darüber bestimme ich“, sagt Schröder. Das ist die letzte Ablenkung. Will irgendwer ihm verbieten, was er tut? Das ginge sowieso nicht. Aber viele sagen, dass es nicht richtig ist, was er tut. Und dass er, wenn er es doch tut, nicht der bleiben wird, der er war: Ein geachteter Kanzler. Und ein geachteter Sozialdemokrat. Und so ist es. Schröder kann damit vielleicht leben, der Lohn stimmt ja. Seine Partei und seine Anhänger weniger. Schade um ihn. Er schien ein ganz Großer zu sein.

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