Punktsieg mit einem merkwürdigen Gesetz

Das Betreuungsgeld gibt der Regierung überraschend Aufwind

Die Koalition hat am Freitag mit dem Betreuungsgeld ein merkwürdiges Gesetz durch den Bundestag gebracht. Doch trotzdem steht die Regierung plötzlich positiv da. Denn sie nutzte die Debatte, um den sowieso Popularität einbüßenden SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück schlecht aussehen zu lassen.

Dabei hatte die Opposition gute Argumente gegen das von ihr Herdprämie genannte Lieblingskind der CSU. Die Idee, Eltern dafür finanziell zu belohnen, dass sie ihre Kinder nicht in Krippen schicken, mag in sittlich-ländlichen Strukturen Bayerns sinnvoll erscheinen. Im größten Teil Deutschlands ist sie kontraproduktiv. In vielen bildungsfernen Familien und bei Migranten wird sie Anreiz sein, den Nachwuchs zu Hause zu lassen. Die Folge sind geringere soziale und intellektuelle Impulse. Deutschkenntnisse können sich nicht entwickeln. Es besteht auch die Gefahr, dass Parallelkulturen weiter erstarken und die Integration in Deutschland scheitert. Was übrigens die Koalitionspartner CDU und FDP ebenfalls befürchteten. Um des Koalitionsfriedens Willen stimmten die meisten Abgeordneten am Freitag dennoch für das Betreuungsgeld.

Man kann solch ein Abrücken von Überzeugungen für pragmatisch halten — oder es auch heftiger formulieren. Für die Opposition ist es eigentlich ein gefundenes Fressen, wenn sie genüsslich frühere Äußerungen von CDU-Ministerin von der Leyen und FDP-Generalsekretär Patrick Döring gegen das Betreuungsgeld zitiert. Auch Kanzlerin Angela Merkel glaubt man nicht, dass sie überzeugt dahinter steht.

Dass die Verabschiedung des Betreuungsgeldes trotz dieser schier optimalen Voraussetzungen nicht zum Punktsieg für die Opposition reichte, liegt vor allem an Peer Steinbrück. Er und die gesamte Opposition hatten das Thema ideologisch überreizt. Zeitweise klang es so, als wolle die Regierung künftig Frauen am heimischen Herd gefangen halten. Absurd. Und Steinbrück hatte verdrängt, dass er in Zeiten der großen Koalition selbst ein Betreuungsgeld befürwortet und als Finanzminister sogar das entsprechende Kinderförderungsgesetz unterschrieben hatte. Diese Steilvorlage nutzte nun die Koalition. Nach dieser Debatte und der Abstimmung kann sich die Regierung sogar als gestärkt und sehr handlungsfähig sehen.

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