Meinung Pflegereform 2017: Endlich eine Revolution

Rund 2,9 Millionen Pflegebedürftige dürften mittlerweile Post von ihrer Pflegeversicherung bekommen haben. In dem Brief wird nüchtern über den neuen Pflegegrad und die entsprechenden Leistungen ab dem kommenden Jahr informiert.

Meinung: Pflegereform 2017: Endlich eine Revolution
Foto: k r o h n f o t o .de

Dahinter steckt nichts Geringeres als die weitreichendste Sozialreform dieser Wahlperiode. Dafür hat die große Koalition in Berlin ein großes Kompliment verdient.

Immerhin drei Bundesregierungen in Folge hat es bis zu dieser kleinen Revolution gebraucht. So lange wurde darüber schon diskutiert. Nun endlich entscheidet sich der Umfang der Pflegebedürftigkeit nicht mehr am Maß der körperlichen Gebrechlichkeit, sondern an dem der verbliebenen Selbständigkeit. Das kommt zuallererst den Demenzkranken zugute, die nach den bisherigen Kriterien der Pflegeversicherung häufig leer ausgingen. Das rechnet sich aber auch für die meisten anderen Betroffenen. Können sie sich doch zum Teil über deutlich höhere Leistungen freuen.

Natürlich haben solche Verbesserungen auch ihren Preis. Schon 2015 wurden die Beitragssätze erhöht. Zum Jahreswechsel kommt es zu einer weiteren Anhebung. Dass darüber keiner ernsthaft stöhnt, hat mit der breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der Pflegeversicherung zu tun. Jeder kann in die Situation geraten, ohne fremde Hilfe nicht mehr auszukommen. Also muss praktisch auch jeder ein Interesse daran haben, für diesen Fall umsorgt zu sein, so gut es eben geht.

Ist damit nun alles eitel Sonnenschein in der Pflege? Sicher nicht. Dafür spricht schon die Personalnot in vielen Pflegeheimen. Mindestens 30.000 Pflegekräfte fehlen. Und der Bedarf wird weiter steigen. Weil die Gesellschaft immer älter wird und die Zahl der Bedürftigen drastisch zunimmt. Vor diesem Hintergrund ist es zum Beispiel fragwürdig, mit einem Teil der Beitragserhöhungen einen sogenannten Vorsorgefonds zu füttern, um die erwarteten hohen Kosten ab dem übernächsten Jahrzehnt (!) abzufedern.

Erstens gibt es kaum noch Zinsen am Kapitalmarkt, zweitens weckt ein solcher Geldtopf immer politische Begehrlichkeiten, und zum Dritten wären diese Mittel eben besser schon jetzt im Ausbau der ambulanten und stationären Pflege angelegt. Ein weiteres Problem ist das politische Gezänk um die künftige Pflegeausbildung. Ausgerechnet in Zeiten einer wachsenden beruflichen Spezialisierung will der Bundesgesundheitsminister die bislang getrennten Ausbildungswege für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger vereinheitlichen.

Gerade die Altenpflege in den Heimen könnte dadurch auf der Stecke bleiben. Der Weisheit letzter Schluss sind diese Pläne sicher noch nicht. Schon dieser Konflikt zeigt aber, dass der Pflegeversicherung die Reformbedürftigkeit nicht ausgehen wird. Künftige Regierungen werden sich darum kümmern müssen. Hoffentlich warten sie damit nicht so lange wie in der Vergangenheit.

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