Nüchterne Kalkulation statt Mythos

Düsseldorfer Firma Capricorn kauft den Nürburgring

Kommentar von Peter Lausmann.

Kommentar von Peter Lausmann.

Foto: Nanninga, Bernd (bn)

Tief in der strukturschwachen Eifel, fernab von Wirtschaft und Tourismus sollte eine Goldgrube entstehen. Erbaut auf dem Mythos Nürburgring. Es sollte das Meisterstück einer bis dahin fast unangreifbaren Regierung Kurt Beck in Rheinland-Pfalz werden. Doch die Sozialdemokraten pokerten zu hoch, fielen auf Trickbetrüger herein. Für die Landeskasse wurde das Bauprojekt zum Millionengrab: 330 Millionen Euro wurden investiert, der Verkaufspreis liegt nun bei 77 Millionen Euro — knapp einem Viertel. Deutlicher kann man ein Steuergeld-Desaster nicht in Zahlen fassen.

Grund für das Fiasko war eine fatale Fehleinschätzung: Dass Zehntausende zur Formel 1 und dem 24-Stunden-Rennen an den Ring pilgerten, wertete die damals landeseigene Nürburgring GmbH als Zeichen dafür, dass die Massen auch das ganze Jahr kommen würden, wenn man sie mit Motorsport-Museum, Partyzone und Achterbahn nur lockte. Doch die Besucher blieben aus, die Eifel blieb strukturschwach.

Die Düsseldorfer Käufer von Capricorn tun deshalb gut daran, mit dem alten Konzept zu brechen, sich vom verlustreichen Erlebnisdorf „Grüne Hölle“ und der stetig beschädigten Achterbahn „Ring-Racer“ zu trennen. Das ist nur konsequent: Das Risiko, sich von der Popularität des Motorsports und den Launen der Massen abhängig zu machen, ist zu groß. Nicht zuletzt aus politischen Gründen wollte das bislang aber kaum jemand im Land zugeben.

Capricorn setzt dafür auf Substanz, investiert selbst in wirtschaftliche Strukturen, die Wachstum versprechen. Technik statt Tourismus. Die Düsseldorfer sind seit 15 Jahren am Ring vertreten und erlebten Aufbau sowie Absturz der Erlebniswelt aus nächster Nähe. Dies stimmt zuversichtlich, dass der Autoteilezulieferer die Risiken und Chancen in der Eifel nüchtern durchkalkuliert hat.

Für das Land Rheinland-Pfalz und die Region könnte sich das letztlich als Glücksfall erweisen. Das angestrebte Technologiezentrum weist in die richtige Richtung: Dort soll eine Zukunft entstehen, die sich wirtschaftlich selbst tragen kann, und nicht nur eine Geldmaschine, die versucht, die glorreiche Vergangenheit der Eifel-Rennstrecke zu versilbern.

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