Meinung Nach dem CDU/CSU-Gipfel: Die Kluft bleibt

Horst Seehofer wird mit dem Ausgang des Potsdamer Friedensgipfels der Union zufrieden sein. Zwar ist keine einzige seiner Forderungen erfüllt worden. Weder werden Obergrenzen für Flüchtlinge formuliert, noch hat sich Angela Merkel für ihre Willkommenskultur im letzten Herbst entschuldigt.

Der CSU-Chef steht trotzdem als derjenige da, der die Kanzlerin und damit die Schwesterpartei CDU vor sich hertreibt, der die Themen und die Termine der Sondersitzungen der Union diktiert.

Und darum geht es ihm allein. Dass die Veranstaltung von Potsdam angesichts des Brexit regelrecht aus der Zeit gefallen war - geschenkt. Es gibt Wichtigeres: Die absolute Mehrheit der CSU im Landtag in München. Die CSU soll als Kraft erscheinen, die noch weiß, wo die Bürger der Schuh drückt, die der AfD Paroli bieten kann und die nicht jeder modischen Entwicklung hinterherläuft. In Bayern mag dieses Kalkül aufgehen. Im Bund ist das nicht der Fall.

Seehofer muss seine Forderungen nie umsetzen. Das ist sein Vorteil und Deutschlands Glück. Wenn die Bundesregierung im letzten Herbst so gehandelt hätte, wie er es wollte, wäre das für Europa kaum weniger schlimm gewesen als der Brexit jetzt. Den Kontinent hätten noch mehr Zäune durchzogen, die Balkanländer wären destabilisiert worden und die Menschlichkeit wäre auf der Strecke geblieben. Europa wäre im Hass zerfallen.

Und die AfD hätte als radikaleres Original trotzdem immer noch schärfere Maßnahmen verlangt. Trotz des Abebbens der Flüchtlingskrise hält sich der Bayer aus taktischen Gründen dieses Thema weiter offen und spielt zudem mit der Möglichkeit einer Volksabstimmung über die EU auch in Deutschland. Dabei sollte das Beispiel Camerons abschreckend genug sein: Wer mit dem Feuer spielt, kann von ihm verschlungen werden.

Wenn es hart auf hart kommt, lassen sich die Gegensätze eben nicht einfach verbal kitten, auch nicht in der Union. Dann muss man sich entscheiden, dann muss man einen Kompass haben und auch mal kämpfen. Natürlich muss man in der Flüchtlings- wie in der Europapolitik stärker auf die Sorgen vieler, vor allem älterer Menschen eingehen und langsamer, vorsichtiger voranschreiten.

Auch muss man mehr erklären. Aber im Grundsatz muss die Politik klare Kante zeigen. Pro Menschlichkeit. Pro Europa. Angela Merkel hat das getan, und sich damit verwundbar gemacht. Seehofer hat bloß taktiert und setzt das fort. Das bleibt auch nach Potsdam der große Unterschied zwischen den beiden Schwesterparteien. Er kann jederzeit wieder zu neuen Auseinandersetzungen führen.

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