Meinung MH 17 und Moskaus ekelige Kriege

Russland könnte sich leicht hinstellen und sagen: Der Abschuss von Flug MH 17 war ein Versehen, es tut uns aufrichtig leid. Und den Angehörigen Entschädigungen zahlen, wie das Deutschland nach dem Fehlbombardement von Kunduz getan hat.

Ähnlich hätte Russland übrigens letzte Woche auch nach dem Bombardement auf einen Hilfskonvoi in der Nähe von Aleppo reagieren können, der die Hoffnung auf Waffenstillstand begrub. Stattdessen präsentiert der Kreml wechselnde Räubergeschichten, um die Schuld abzuwälzen. Um den Spieß noch umzudrehen: Seht her, wie sie uns unberechtigt beschuldigen. Eine verfolgte Unschuld.

Dass sich Moskaus Darstellungen des MH17 Abschusses gegenseitig widersprechen, dass sie ganz offensichtlich an den Haaren herbeigezogen sind - wen stört es. Weltweit, auch hierzulande, gibt es genug Menschen, die der Propaganda mehr glauben, als den jetzt veröffentlichten Ergebnissen der akribischen Ermittlungen durch ein internationales Expertenteam aus den Opferstaaten Niederlande, Malaysia und Belgien sowie der Ukraine. Man braucht dazu noch nicht einmal gelenkte Medien wie in Putins Reich - in der "postfaktischen Zeit" reicht die richtige Einstellung, um wilden Verschwörungstheorien zu folgen.

Dabei hat Russland die 298 unschuldigen Passagiere von Flug MH 17 wahrscheinlich nicht einmal selbst in den Tod geschickt. Alle Hinweise sprechen dafür, dass es ostukrainische Rebellen waren, denen Russland freilich Raketen überlassen hatte für den Kampf gegen ukrainische Flugzeuge und die damit offenbar nicht umgehen konnten. Dumpfe Idioten des Bürgerkrieges. Vielleicht war man in Moskau danach sogar erschrocken, mindestens wegen der negativen internationalen Wirkung. So wie man vielleicht auch über das Bombardement von Aleppo erschrocken war. Auch Assad wendet die Mittel, die Moskau ihm gibt, skrupellos an.

Putins Versteher werden nun einwenden: Und was ist mit den Drohnen-Angriffen der Amerikaner? Auch sie treffen manchmal Unschuldige. Ja, sie sind nicht viel besser. Doch Präsident Obama verleugnet diese Angriffe nicht. Russland aber versucht hartnäckig zu verdecken, wie sehr und wie tief es in den Konflikten in der Ostukraine wie in Syrien verstrickt ist. In Russland darf ja nicht einmal berichtet werden, wie viele eigene Soldaten dort kämpfen und wie viele fallen. Die Angehörigen dürfen nur heimlich weinen. Man nennt das verdeckte Kriegsführung. Sie erlaubt fast alles, sie kennt keine Moral und keine Kriegsregeln. 298 Flugpassagiere, die nicht einmal ahnten, wo sie waren, als sie starben - Pech. Es ist eine der ekeligsten Erscheinungsformen unserer Zeit. Und das Schlimmste: Man kann mit dieser Kriegspartei nicht einmal reden, geschweige denn verhandeln. Weil sie offiziell nie dabei gewesen ist.

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