Laschets Stärken im engen NRW-Korsett

Eine Regierungserklärung mit „Maß und Mitte“ zu überschreiben, ist nicht unbedingt geschickt, wenn man in den Wochen des tönenden Wahlkampfs durchweg von künftigen neuen Spitzenplätzen für NRW im bundesweiten Ländervergleich schwadroniert hat.

Laschets Stärken im engen NRW-Korsett
Foto: Sergej Lepke

Da wird allzu schnell hineininterpretiert, die neue Regierung habe in Spitzengeschwindigkeit ihre Lektion vom politischen Realismus gelernt. Das Machbare ist zugleich der Hemmschuh der gestaltenden Politik, der stets überall zu klein ist. Einfach kann ja jeder.

Aber: Armin Laschets Interpretation von den großen und vielfältigen Herausforderungen für den Riesen NRW und die Chancen, die daraus entstehen, ist durchaus stimmig. Und seine natürlich unfreiwillige Anleihe von Maß und Mitte an die praktische Politik der Kanzlerin erinnert erheblich mehr an Merkels Herangehensweise, als Laschet das nötig hätte.

Weil er viel mehr Gestaltungsdrang versprüht, als es die Kanzlerin je aus innerer Überzeugung getan hätte. Weil Laschet in seinen besten Momenten ein Mann der Visionen sein kann — und auch ein Moderator, der Experten strukturiert zusammenführt, um später zu ernten: Die angekündigte Zusammenführung aller Digitalisierungsexperten und -profiteure aus ganz NRW ist nur ein Beispiel dafür, die anvisierte Ruhrkonferenz ein weiteres. Auch das gestern ausgerufene Institut in NRW für ethische Fragen der Digitalisierung, das der Ministerpräsident gründen will, geht als Vision durch, mit der man über NRW hinaus strahlen kann. Laschet — das deutet sich an — wird wachsen in seinem Amt. Er will das heterogene NRW zum Testfeld der heterogenen Bundesrepublik erklären, will und muss auch stärker Einfluss nehmen auf die Berliner Politik. Fraglich nur, ob es ihm NRW dabei besonders leicht machen wird.

Denn: Der gestern fast untergegangene Satz, er, Laschet, brauche in der Haushaltspolitik Gestaltungsfreiheit, ist so etwas wie die Ansage, bis 2020 an eine dann erzwungene schwarze Null im Haushalt nicht zu denken. Und den Plan umzusetzen, mit einer entfesselten und dann zuerst digital orientierten Wirtschaft eine ganz neue Einnahmequalität zu erwirken. Die Frage, was wird, wenn die neuen Schulden nicht den gewünschten Ertrag bringen und wer dabei hinten rüber fallen kann, hat Laschet gestern nicht beantwortet. Es sind Fragen, die ihn vielleicht schon bald einholen werden.

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