Konflikt in Katalonien gerät außer Kontrolle

Das sind die Bilder, die sich der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont gewünscht hat: Spanische Polizisten, die in Barcelona und anderen Orten Abstimmungslokale räumen, Wahlurnen beschlagnahmen, die mit Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen Demonstranten vorgehen.

Ralph Schulze.

Ralph Schulze.

Foto: Kai-Uwe Heinrich

Bilder, mit denen die katalanische Sezessionsregierung der Welt beweisen will, dass in Katalonien angeblich die Demokratie und die Freiheit unterdrückt werden. Und dass ihre Region unter der Repression der spanischen Zentralregierung leidet. Dabei kehrt der Chefseparatist Puigdemont stillschweigend unter den Tisch, dass dieses einseitige Referendum illegal war. Weil es von Spaniens Verfassungsgericht, der obersten Justizinstanz des spanischen Königreichs, zu dem bis heute auch Katalonien gehört, verboten worden war.

Dass Puigdemont dieses fragwürdige Plebiszit trotzdem durchpeitschte, gehört zu seiner Strategie der gezielten Eskalation. Er wusste natürlich, dass keine geordnete Abstimmung möglich sein würde. Und dass sein Aufruf zum Ungehorsam die Spannungen weiter anheizen würde. Derlei Vorgehen bezeichnet man üblicherweise als politische Brandstiftung. Der oberste Nationalist Kataloniens wollte die spanische Staatsgewalt dazu zwingen, mit Verboten und Polizeieinsätzen gegen diese einseitige Abstimmung vorzugehen. Vor allem, weil er darauf setzt, dass diese Konfrontation seiner Unabhängigkeitsfront weiteren Zulauf verschafft, um ihre politische Macht auszubauen. Denn obwohl die Separatisten in diesen Tagen mit Massendemonstrationen und einem Meer von Unabhängigkeitsfahnen das Straßenbild in Katalonien bestimmen: Eine klare Mehrheit haben sie in der Bevölkerung nicht hinter sich.

Ob es freilich von Spaniens konservativem Regierungschef Mariano Rajoy klug war, auf Puigdemonts Abstimmungsprovokation ausschließlich mit Gerichtsurteilen und Polizeioperationen zu reagieren, steht auf einem anderen Blatt. Denn es zeigt sich jeden Tag mehr, dass Rajoy diesen Konflikt nur mit den Mitteln des Rechtsstaates und ohne politische Angebote nicht wird lösen können. Keine guten Aussichten. Weder für Katalonien — noch für Spanien. Und auch nicht für Europa, das bisher diesem seit längerer Zeit lodernden regionalen Brand erstaunlich ungerührt zuschaut. Die EU wäre gut beraten, in Spanien möglichst schnell mitzuhelfen, die Flammen zu löschen.

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