Kanzlerkandidat versöhnt sich mit der SPD

Peer Steinbrücks Krönungsmesse verläuft nach Drehbuch

Düsseldorf. Mehr als 100 Minuten Redezeit, gut zehn Minuten Applaus und knapp 93,5 Prozent Zustimmung: Die Krönungsmesse für SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist ganz nach Drehbuch verlaufen. Seine Rede war zwar nicht wie sonst ein rhetorisches Feuerwerk, doch hat sie den richtigen Ton getroffen.

Sie war eine Aneinanderreihung von Streicheleinheiten für die Seele der Partei. Steinbrück beschwor alte sozialdemokratische Werte und versetzte die SPD, die seit der Wahlniederlage 2009 nicht mehr richtig zu sich selbst gefunden hat, in Aufbruchstimmung. Das war nach seinem verhagelten Start auch bitter nötig.

Steinbrücks zentrale Botschaft: Die Zeit, in der er mit seiner Kandidatur fremdelte, ist endgültig vorbei. Er kann Kanzler, so sein Anspruch. Aber er weiß auch, dass er als Einzelkämpfer chancenlos ist. Die Partei brauche wieder „mehr Wir und weniger Ich“. Wohl gesprochen, Herr Steinbrück! Bestimmten doch seine umstrittenen Vortragshonorare die Diskussion der vergangenen Wochen und nicht die politischen Inhalte der SPD.

Aber auch die SPD sendet eine Botschaft aus: Sie verspricht ihrem Kandidaten die Gefolgschaft. Das mag weniger echter Überzeugung geschuldet sein, als mehr der Einsicht, dass es für die Suche nach einer Alternative zu spät ist. Selbst die Parteilinke, die Steinbrück auffällig in seiner Rede umgarnte, macht beim Gedanken an vier weitere Jahre auf harten Oppositionsbänken lieber die Faust in der Tasche als offen gegen ihn zu opponieren. Dabei ist der Kandidat weiter von ihrem klassischen roten Arbeitermilieu entfernt als von Angela Merkels sozialer Marktwirtschaft.

Apropos Merkel: Steinbrück tut gut daran, sich nicht die in Umfragen weit vorn liegende Kanzlerin als Angriffspunkt auserkoren zu haben. Das könnte auch schwer werden — haben beide doch in der großen Koalition ein harmonisches Gespann abgegeben. Deshalb lautet jetzt die Botschaft: Schafft es die FDP nicht, reicht es für Rot-Grün.

Eine wichtige Botschaft fehlte aber auf diesem Parteitag: Welches Klientel will Steinbrück erreichen? Die SPD-Stammwähler oder die bürgerliche Mitte? Das wird seine größte Herausforderung: den Spagat zu schaffen, echte sozialdemokratische Ansichten zu vertreten und trotzdem Steinbrück zu bleiben.

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