Hartz IV: Parteien verstecken sich hinter Richtern

Hartz-Gesetze sind juristisch und politisch umstritten.

Das ist eine kräftige Ohrfeige von politisch gänzlich unverfänglicher Seite: Jede dritte Klage gegen die Hartz-IV-Bescheide hatte Erfolg. Damit ist die Kernkompetenz der zuständigen Behörden massiv infrage gestellt. Das hat der Vize-Chef der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, in Ansätzen erkannt. Er räumt Qualifikationsdefizite bei den Mitarbeitern ein. Das ist ehrenwert, greift aber zu kurz. Fünf Jahre nach Einführung gibt es bei Hartz IV jede Menge handwerklicher, zum Teil auch struktureller Fehler. Doch darüber wird nicht sachlich diskutiert, sondern politisch polemisiert.

Bei den Klagen geht es um Beschwerden gegen die bestehenden Hartz-Gesetze. Dort gibt es angesichts der Unzahl der Regeln jede Menge Fallstricke, die geschickte Anwälte erkennen. Das alles bewegt sich im juristischen Bereich. Hartz wurde damals von der rot-grünen Bundesregierung mit recht heißer Nadel gestrickt, und auch das schwarz-rote Bündnis hat es danach nicht vermocht, die Gesetze wirklich wasserdicht zu machen. Es gibt viele Paragrafen, noch mehr Vorschriften, also Streitpotenzial ohne Ende.

Parallel dazu läuft aber die politische Diskussion. Vier Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen tritt Ministerpräsident Jürgen Rüttgers für eine Revision der Regelungen ein - mal wieder. Immer vor Wahlen stürzt sich Rüttgers auf dieses Thema, verlangt Nachbesserungen und ruft nach einer größeren sozialen Gerechtigkeit. Eine Gegenfinanzierung hat er eigentlich nie geliefert.

Die SPD hat Rüttgers lange als Sozialschauspieler verspottet und an Hartz festgehalten, weil die Reform als Kernstück der Schröder’schen Agenda gilt. Nun läuft sie in die gleiche Richtung wie Rüttgers. Schließlich wird in NRW im Mai gewählt. Das alles ist Wahlkampf. Eine seriöse Debatte über Hartz ist es nicht.

Die sollte nach fünf Jahren aber möglich sein. Die Zwischenbilanz müsste etwa die Frage beantworten, ob 2,28 Euro täglich für das Essen der Kinder tatsächlich ausreicht, ob 1,63Euro monatlich für Schulbedarf wirklich genug sind. Oder ob nicht Gutscheine oder Pauschalregelungen sinnvoller wären. Die Parteien weichen diesen Fragen aus. Es werden mal wieder die Richter entscheiden. Das ist ein Armutszeugnis - für die Politik.

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