Hartz IV — eine Stütze, die spaltet

Vor zehn Jahren wurde die Arbeitsmarktreform umgesetzt

Wohl kaum eine Sozialgesetzgebung hat die Volksseele je so zum Kochen gebracht, wie die vor zehn Jahren eingeführte Arbeitsmarktreform Hartz IV. Sie spaltet bis heute: Für ihre Kritiker handelt es sich um „Armut per Gesetz“, während die Anhänger auf die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt verweisen. Beide Bilanzen sind nicht falsch. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

Ohne die ökonomische Krise kurz nach der Jahrtausendwende wäre Hartz IV wohl undenkbar gewesen. Deutschland galt damals als kranker Mann Europas. Die Sockelarbeitslosigkeit drohte sich immer weiter zu erhöhen. Selbst ein moderates Wachstum vermochte daran kaum noch etwas zu ändern. Eine Mitschuld trugen zweifellos der verkrustete Arbeitsmarkt und ein Fürsorgesystem, das ausschließlich auf die Abmilderung der materiellen Folgen der Erwerbslosigkeit angelegt war. Erst durch die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II kamen zusätzlich jene erwerbsfähigen Personen wieder in die Arbeitslosenstatistik, die zuvor gesellschaftlich abgeschrieben waren. So betrachtet hatte sich das Land mit Hartz IV nur ehrlicher gemacht.

Doch es gibt auch Webfehler im System. Mit den neuen Bestimmungen sollten die Betroffenen nicht nur mehr gefordert, sondern auch stärker gefördert werden. Dass es daran bis heute hapert, ist kein Geheimnis. Zwar ging die Zahl der arbeitsfähigen Hartz-IV-Empfänger seit 2005 deutlich zurück. Doch seit einigen Jahren liegt sie relativ konstant bei einer Million. Oft handelt es sich um schwierige Fälle, denen die Regierung angesichts zunehmender Arbeitskräfteknappheit besondere Aufmerksamkeit für eine geeignete Vermittlung beimessen müsste. In Wahrheit wurden die Förderprogramme für Langzeitarbeitslose aber immer weiter zusammengestrichen. Vor drei Jahren entfielen im Schnitt noch 1155 Euro auf jeden Betroffenen. 2014 war es über ein Drittel weniger.

Von Hartz IV kann man nicht anständig leben, jedenfalls nicht auf Dauer. Gerade deshalb muss es darum gehen, so schnell wie möglich ohne diese Hilfe auszukommen — so, wie es vor zehn Jahren gedacht war.

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