Meinung Hartz-IV-Debatte - Rückkehr zu alten Ufern

Hartz IV klebt den Sozialdemokraten an wie Pech am Stiefel. Viele Genossen sehen die Schrödersche Agenda-Reform bis heute als Sargnagel für die eigene politische Herrlichkeit. Da ist es dann auch kein Wunder, wenn ein bestenfalls halbgares Konzept zum Balsam für die geschundene Seele der Sozialdemokraten wird.

Meinung: Hartz-IV-Debatte - Rückkehr zu alten Ufern
Foto: k r o h n f o t o . d e

Von der Idee des „solidarischen Grundeinkommens“ erhofft man sich offenbar einen politischen Schub, um das böse Image einer gefühlskalten und unsozialen Partei endlich abstreifen zu können.

Berlins Regierender Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzender Michael Müller prägte den Begriff erstmals im Oktober 2017. Das solidarische Grundeinkommen könne ein Konzept sein, das Menschen weder abschreibt noch mit einer Sozialleistung abfindet. In der Sache ist die Idee aber tatsächlich so etwas wie eine Rückkehr zu alten Ufern. Als das Hartz-IV-System vor mehr als einem Jahrzehnt eingeführt wurde, löste es auch die bis dahin geltende Arbeitslosenhilfe ab — eine Fürsorgeleistung, die nach dem zeitlichen Auslaufen des Arbeitslosengeldes im Prinzip unbefristet und in Abhängigkeit vom letzten Lohneinkommen bewilligt wurde. Wer davon profitierte, hatte sein Auskommen und wurde in Ruhe gelassen.

Umso schlimmer war für manche das Erwachen, als fortan das Prinzip vom „Fordern und Fördern“ gelten sollte. Genau davon will sich die SPD nun offenbar wieder verabschieden. Wer ein Arbeitsangebot ausschlägt, soll nach Michael Müllers Konzept im bisherigen Hilfesystem bleiben — und damit am Ende genauso in Ruhe gelassen werden wie zu Zeiten der Arbeitslosenhilfe.

Ob es wirklich gerecht ist, wenn jemand aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, aber ohne Gegenleistung trotzdem auf Kosten anderer lebt, muss allerdings bezweifelt werden. Und noch einen Schwachpunkt hat das Konzept von Michael Müller: Warum soll es sich eigentlich nur um „gesellschaftliche“ Tätigkeiten handeln, die den Betroffenen angeboten werden, wenn es doch gleichzeitig vielerorts an Leuten auf dem ersten Arbeitsmarkt fehlt? Dann wäre es doch ehrlicher, gleich zu den massenweisen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der 1990er Jahre zurückzukehren, die vielfach nur Beschäftigungstherapie waren.

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