Meinung Gut gemeint ist nicht gut gemacht, Herr Stamp

Eins darf man dem NRW-Integrationsminister Joachim Stamp von der FDP unterstellen: Er hat es im Fall Sami A. wirklich gut gemeint. Auch deshalb hat er von Anfang an die Verantwortung übernommen. Auch deshalb reagiert er jetzt mit extrem breiter Brust.

 Ein Kommentar von Juliane Kinast.

Ein Kommentar von Juliane Kinast.

Foto: Judith Michaelis

Er hat Lehren aus der fatalen Laxheit des Staates im Fall Anis Amri gezogen, er wollte nicht warten, bis A. möglicherweise Menschen verletzt, er wollte wirklich an die Grenze des Rechtsstaates gehen — jetzt hat er diese laut Oberverwaltungsgericht überschritten. Und es zeigt sich: Gut gemeint ist eben einmal mehr nicht gut gemacht.

Der Teufel steckt bei diesem Fall im Detail. Nuancen haben gefehlt und Stamp hätte sich feiern dürfen, weil er nach zwölf Jahren Hängepartie A. endlich außer Landes befördert und dieses wohl sicherer gemacht hat. Er hatte den Widerruf des Abschiebeverbotes durch das Bamf, eine Gerichtsentscheidung, welche die Abschiebungsandrohung bestätigte. Und er hatte ein Zeitfenster bis zu einem weiteren Gerichtsentscheid, der möglicherweise nicht mehr bestätigend sein würde. Ein Zeitfenster, das er unbedingt nutzen wollte. Das Problem: Es wurde offensichtlich dadurch aufrechterhalten, dass der Termin des Flugs verschleiert und am Morgen des 13. Juli kein Versuch unternommen wurde, die Abschiebung noch abzubrechen. Die Justiz fühlt sich an der Nase herumgeführt und schlägt zurück. Es dürfte den Menschen in Deutschland schwer vermittelbar sein, warum ein Islamist wie Haikel S., dem formal die Todesstrafe droht, laut Bundesverfassungsgericht im Mai nach Tunesien abgeschoben werden durfte, das Verwaltungsgericht bei Sami A. aber auch jetzt noch, wo er frei durch Sousse spaziert, eine Foltergefahr sieht — zumal in einem Land, das bald offiziell ein sicheres Herkunftsland sein soll. Nickeligkeit? Vielleicht. Aber sie war provoziert.

Jetzt gibt es nur noch Verlierer. Stamp selbst natürlich. Eine Justiz, die dafür sorgt, dass ein Gefährder auf Kosten der Steuerzahler zurückkommen soll — nur um vermutlich wieder auf Kosten der Steuerzahler abgeschoben zu werden. Den Steuerzahler natürlich. Und alle, die Stamp jetzt zu Recht kritisieren, sich damit aber ungewollt für die Rückholung eines mutmaßlichen Islamisten einsetzen. Und sich fragen müssen: Was wäre passiert, hätte Stamp nicht jedes Zeitfenster ausgereizt und A. wäre wirklich zu einem zweiten Amri geworden?

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