Meinung Fall Sami A. - Eine Herausforderung für die Demokratie

Über die Hintergründe zum Fall Sami A. ist von den Gerichten einiges gesagt. Zur weiteren Aufklärung hätten Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) bei einem lange anberaumten Treffen am Dienstag gegenüber der aufgescheuchten Öffentlichkeit beitragen können.

Meinung: Fall Sami A. - Eine Herausforderung für die Demokratie
Foto: Sergej Lepke

Sie zogen es aber vor, den Auftritt „wegen vieler offener Fragen“ zwölf Stunden vorher abzusagen. Damit haben sie den Eindruck verstärkt, in den Ministerien müsse die Darstellung des Hergangs für den eigenen politischen Fortbestand noch einmal überdacht werden. Mit einem reinen Gewissen wäre der Tag wohl in professioneller Zweisamkeit verlaufen.

Zumal klar ist, dass Seehofer und Stamp in dieser Sache im selben Boot sitzen. Der deutsche Innenminister braucht Hardliner-Erfolge für die bayerische Landtagswahl am 14. Oktober (jedenfalls glaubt er das), Stamp will seinen Ruf verfestigen, die Dinge so pragmatisch anzugehen, wie es der große Teil der Bevölkerung für vernünftig hält: Bei denen mit Bleiberecht zu vernünftiger Integration zu kommen, dafür aber Gefährder und illegal in Deutschland lebende Menschen konsequenter als bisher auszuweisen.

Auf welch dünnem Eis das oft geplant wird, bekommt Stamp gerade zu spüren. Und mit dieser Erkenntnis eine zweite: Dass nämlich der Fall Sami A. in der deutschen Parteienlandschaft gerade ansehnlich durchdekliniert wird und so als Abbild der zerrissenen Gesellschaft taugt. Selbst durch die FDP geht ein Riss: Der Jurist Wolfgang Kubicki steht mit seinem Wort von der „Erosion des Rechtsstaats“ gegen das enge Bündnis von FDP-Chef Christian Lindner und Stamp. Der Fall fordert den Parteien alles ab: Zum Beispiel hat sich die SPD-Fraktion in NRW entschieden, auf Angriff zu spielen. Fraktionsgeschäftsführerin Sarah Philipp brachte die Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses ins Spiel.

Dabei wird ihr klar sein müssen, dass die SPD-Klientel kaum verstehen würde, wenn sich der NRW-Landtag mit horrenden Steuergeldern für die Heimholung eines Gefährders aus Tunesien in die Bresche würfe. Es ist ein Spiel mit dem Feuer: Es geht um Rechtsstaatlichkeit auf der einen und geforderte politische Durchsetzungskraft auf der anderen Seite. Um die Frage, ob das gegeneinander aufgewogen werden darf. Und darum, wie man dem Wähler vermitteln kann, dass die Antwort darauf Nein lauten muss. Sami A. ist eine Herausforderung für die Stabilität der Demokratie.

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