Meinung EU-Beitrittsgespräch - Nicht mit Erdogan

Im Umgang mit Ankara empfiehlt sich sprachliche Genauigkeit. Statt von der „Türkei“ sollte man besser von der „türkischen Regierung“ sprechen. Oder noch besser vom „Regime Erdogan“. Dann übersetzen sich die Vorwürfe Ankaras gleich anders.

Von wegen, „die Türkei“ fühle sich durch Europa herausgefordert, „die Türkei“ reagiere nur auf Provokationen, wie der türkische Außenminister meint. Es geht um Recep Tayyip Erdogan und seine Clique.

Der türkische Präsident mag zwar einigen Rückhalt in der Bevölkerung haben — Verstöße gegen Menschenrechte bleiben trotzdem Verstöße gegen Menschenrechte. Die von der türkischen Justiz erhobenen Anklagen gegen deutsche Menschenrechtler und Journalisten sind absurd; diese Menschen sind willkürlich genommene Geiseln in einem politischen Poker mit Europa. Das Ganze hat den Charakter von Schauprozessen. Aber auch das Vorgehen gegen türkische Oppositionelle und Medien ist nichts anderes als nackte Repression. Dass Motiv dafür ist neben dem Wunsch nach uneingeschränkter Hegemonie der AKP und ihrer Führer inzwischen wohl auch schlicht Korruption, die Erdogan und sein Umfeld zu verdecken suchen.

Vor der neuen Jamaika-Koalition liegt auch die Frage: Wie umgehen mit Ankara? Die künftigen Regierungspartner in Berlin sollten gleich zu Beginn Klarheit schaffen: Die Freilassung der festgehaltenen Deutschen ohne Bedingungen muss eine zentrale Forderung sein. Zweitens kann es eine Normalisierung der Beziehungen und Kontakte erst geben, wenn in der Türkei wieder ein Mindestmaß rechtsstaatlicher Normen gilt. So lange müssen die Reisewarnungen und die Einschränkungen der Wirtschaftskontakte weiter gelten, zur Not sogar verschärft werden. Und drittens kann man über eine gemeinsame europäische Perspektive erst wieder reden, wenn Erdogan weg ist. Mit ihm machen EU-Beitrittsgespräche absolut keinen Sinn.

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