Entspannung: Obama öffnet ein Fenster der Gelegenheit

Russland verzichtet vorerst auf Raketen in Kaliningrad.

Auch wer die fast religiöse Überhöhung des Wachwechsels im Weißen Haus mit einer Portion Skepsis begleitete, muss anerkennen, dass es tatsächlich Grund zur Hoffnung gibt. Der - an Bedingungen geknüpfte - Verzicht Moskaus auf eine Raketenstationierung in Kaliningrad ist das wohl erste konkrete Ergebnis eines Telefonats zwischen Barack Obama und Russlands Präsident Medwedew am Montag. Damit sind die Problemfelder Nato-Osterweiterung und Raketenschild zwar nicht vom Tisch. Aber immerhin öffnet der Amtsantritt des neuen US-Präsidenten ein "Fenster der Gelegenheit", so Russlands Außenminister Lawrow, das gegenseitige Verhältnis auf eine rationale Grundlage zu stellen.

Washington und Moskau stehen in Osteuropa und Zentralasien in geostrategischer Konkurrenz, im Kampf um Einfluss, Rohstoffe und Militärbasen. Zugleich haben sie gemeinsame Interessen in Nahost, Iran und vor allem Afghanistan. Beides wird auch unter Obama so bleiben. Sein Vorgänger Bush allerdings setzte gegen Ende seiner Amtszeit mehr und mehr auf Konfrontation. Moskau hofft, dass bei der fälligen Neuausrichtung der US-Prioritäten die gemeinsamen Interessen wieder in den Vordergrund rücken.

Die liegen vor allem in Afghanistan. Moskau schätzt die Folgen einer sich abzeichnenden Niederlage der Nato am Hindukusch für sich selbst als viel gefährlicher ein als für die USA und Europa. Islamische Extremisten könnten dann ihren Kampf von Afghanistan über Usbekistan, Tadschikistan und Kasachstan bis zu den ungeschützten Südgrenzen Russlands tragen. Schon heute destabilisiert und korrumpiert der Opiumhandel aus Afghanistan diese Regime und finanziert die Terrorgruppen im russischen Nordkaukasus. Fällt Afghanistan, ist auch das unter großen Opfern weitgehend stabilisierte Tschetschenien wieder gefährdet.

Obama hat signalisiert, dass das umstrittene Raketenabwehrsystem für ihn keine Dringlichkeit hat. Ein - wünschenswerter - Verzicht darauf würde die Bush-Gefolgsleute in Prag und Warschau zwar ziemlich dumm aussehen lassen. Aber Europa insgesamt könnte nur gewinnen, wenn Moskau und Washington ihre Konflikte eingrenzen und dort gemeinsam handeln, wo sie auch gemeinsame Interessen haben.

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