Meinung Ein Urteil, das Facebook weitere Grenzen setzt

Die Zeiten für den Datengiganten Facebook sind mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes zum digitalen Erbe noch einmal rauer geworden. Der Richterspruch passt zu einem Trend: Schon seit längerem versuchen Staat, Gesellschaft und Nutzer sich Schritt für Schritt das Internet zurückzuholen vom allwissenden und die Spielregeln bestimmenden sozialen Netzwerk.

Das Urteil ist hier ein weiterer wichtiger Baustein. Für die Betroffenen freilich ist es weitaus mehr.

Der Vertrauensverlust in Facebook ist schon lange groß. Immer mehr Menschen sorgen sich um die Sicherheit ihrer persönlichen Angaben. Vor allem, seit der Skandal ans Tageslicht kam, dass die Informationen über Millionen Facebook-Nutzer, darunter auch viele in Deutschland, unrechtmäßig weitergegeben wurden. Die Zahl derer, die dem globalen Netzwerk fortan den Rücken gekehrt haben, ist offenbar groß.

Gegenwind verspürt Facebook zunehmend auch aus der Politik, insbesondere mit Blick auf den ineffektiven Kampf gegen Hasskommentare und Hetze. Sie greift verstärkt auf das Instrument der Regulierung und Sanktionierung zurück. Und die Justiz hat zuletzt häufiger denen Recht gegeben, die fragwürdige Datenschutzpraktiken des Konzerns entlarvt und dagegen geklagt haben. Das analoge Imperium schlägt zurück. Das war und ist auch dringend notwendig.

Nun also beim digitalen Erbe. Für die betroffenen Eltern muss das Urteil ein Segen sein, können sie doch endlich nach Antworten auf sie quälende Fragen suchen. Das Facebook-Konto der Tochter war komplett vererbbar, und die Mutter hat es geerbt. Damit hat der Bundesgerichtshof eine richtungsweisende Entscheidung getroffen. Nutzungsverträge wie Accounts, die mit Facebook und anderen Netzriesen geschlossen werden, gehen nach dem Tod über an Hinterbliebene. So wie ein Haus, ein Auto oder Bargeld.

Facebook ist gestern somit gezwungen worden, etwas von der virtuellen Welt, die ja weitestgehend von Konzernseite durch Algorithmen bestimmt wird, an die reale anzupassen. Das ist menschlich und moralisch richtig. Schließlich hätte auch niemand die Eltern des verstorbenen Mädchens daran hindern können, im Tagebuch ihrer Tochter zu lesen. Im Digitalen gilt das, was sonst auch gilt. Das ist die einfache, aber klare Botschaft aus Karlsruhe. Damit werden übrigens Chat-Freunde nicht anders behandelt als Brieffreunde.

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