Ein Präsident auf gepackten Koffern

Staatsanwaltschaft Hannover lässt Wulff-Affäre eskalieren

Der letzte Akt im Trauerspiel um den Bundespräsidenten Christian Wulff ist eingeläutet worden. Die Staatsanwaltschaft Hannover beantragte gestern die Aufhebung der Immunität Wulffs.

Sie will der Sache mit der Millionenbürgschaft für den Filmproduzenten Groenewold und dem Urlaub des damaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen auf Sylt auf den Grund gehen. Das deutet darauf hin, dass die Ermittler der Justiz mehr haben als nur einen Anfangsverdacht. Das spricht gegen Wulff.

Und es spricht dagegen, dass er noch länger das höchste Amt im Staate bekleiden kann. Natürlich gilt für Wulff weiter die Unschuldsvermutung. Aber selbst, wenn der Bundestag dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht folgt, ist Wulff auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel kaum mehr im Amt zu halten. Allein das Ansinnen aus Hannover könnte der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Nicht nur um der Würde des Amtes willen wird es höchste Zeit, dass die Affäre Wulff nun beendet wird. Deutschland kann sich keine italienischen Verhältnisse wie zu Zeiten Silvio Berlusconis leisten.

In diesen Tagen nimmt die Bundesrepublik in Europa eine Rolle ein, die uneingeschränkte Seriosität erfordert. Der Sparmeister der Europäischen Union, der letzte Hoffnungsträger in der Eurokrise, kann sich nicht durch eine Endlosaffäre diskreditieren lassen, in der es um Autokauf-Rabatte und Finca- sowie Inselurlaube geht.

Das sollte auch Merkel einsehen — egal, ob sie Wulff aus Überzeugung gestützt hat oder nur, weil sie keine Zeit hatte, einen neuen, ihren dritten Kandidaten für das Bundespräsidentenamt zu suchen.

Wer dieser Geschichte zwischen Empörung, Mitleid und Peinlichkeit überhaupt noch etwas Positives abgewinnen will, der sei damit getröstet, dass, vielen Unkenrufen zum Trotz, die Demokratie in Deutschland noch funktioniert. Die Staatsanwälte in Hannover haben sich von der Macht des Bundespräsidenten und dessen Unterstützern nicht einschüchtern lassen. Sie ermitteln ohne Ansehen von Person und Rang.

Bestimmt hätte fast jeder Christian Wulff und seiner Frau eine schönere Zeit im Schloss Bellevue gewünscht. Die Justiz hat gestern sehr wahrscheinlich ihren Auszug eingeleitet.

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