Meinung Ein (Auto-)Kartell zerbricht

Die EU-weit geforderten Grenzwerte für CO2 und andere Umweltschadstoffe lassen sich nur mit kleinen, leichten Autos einhalten — oder mit elektrischen Antrieben. Die deutschen Kunden aber lieben große Autos mit mächtigen Motoren.

Und die deutsche Autoindustrie liebt diese Autos auch, weil sie an ihnen am meisten verdient. Hier beginnt das Kartell, das nun zerbricht. Hersteller die betrügen, Kunden, die sich betrügen lassen, Politiker, die das alles decken. Wie immer, wenn so etwas auffliegt, ist es amüsant zu beobachten, wer die anderen zuerst beschuldigt, um die eigene Haut zu retten. Im Fall der jetzt vom „Spiegel“ aufgedeckten jahrelangen Absprachen sind es VW und Daimler.

Es war ja immer schon verwunderlich, warum die Ingenieure der anderen deutschen Hersteller Volkswagen nicht längst anzeigten wegen der niedrigen Abgaswerte, die nur auf Prüfständen eintraten. Warum das die US-Umweltbehörde entdecken musste. Jetzt zeigt sich: Die Mogelei war die gemeinsame Antwort auf die Herausforderung, die der Hybrid-Antrieb asiatischer Anbieter darstellte. Und sie erstreckte sich auf viele weitere Parameter, so dass man sich nicht unnötig Konkurrenz und Kosten machte. Vorsprung durch Technik? Nein, Vorsprung durch Absprache. Sigmar Gabriels bissiger Hinweis an Donald Trump, die Amerikaner müssten eben bessere Autos bauen, wenn sie mehr davon in Europa verkaufen wollten, erscheint jetzt in einem anderen Licht. Vielleicht bauen sie ja schon die ehrlicheren Autos.

Zu dem Kartell gehören auch die Kunden. Niedrige Verbrauchswerte und Öko-Getue im Marketing verschaffen selbst im SUV ein gutes Gewissen. Auch die Käufer suchen nun mit Macht das Weite. Wobei sie meist wenig interessiert, dass ihre Diesel-Abgase viele Menschen draußen belästigen, gar krankmachen können. Gegen Fahrverbote sind sie weiterhin. Sondern nur, dass der Wiederverkaufswert sinkt.

Es ist Pech für die deutschen Autokonzerne, ihre Kunden und Aktionäre, dass die ganze Affäre mitten in den Bundestagswahlkampf fällt. Auch die politisch an dem Kartell Beteiligten springen jetzt nämlich ab. Deren wichtigste Aufgabe war es, erstens weg zu sehen und zweitens immer auf die Arbeitsplätze hinzuweisen, die nicht gefährdet werden dürften.

Dieses Kartell reichte von Merkel und Dobrindt — vor allem Dobrindt — über die in den Aufsichtsräten sitzende SPD bis hin sogar zu den Grünen mit ihrem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Weil Wahlkampf ist, wird es nun überall heißen „Rette sich wer kann“, und das verheißt aus Sicht der Autoindustrie nichts Gutes für den Diesel-Gipfel am 2. August.

Mit Entgegenkommen kann sie nicht mehr rechnen, nicht bei Fahrverboten, nicht bei der Nachrüstpflicht, vielleicht nicht einmal beim Steuerprivileg für den Diesel. Es wird jetzt richtig teuer. Aber das ist gut so - weil es die einzige Chance für einen ehrlichen und ambitionierten Neuanfang dieser Branche ist.

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