Die Gesellschaft muss ihren Helfern helfen

Warum um Himmels Willen kommen Menschen auf die Idee, ausgerechnet diejenigen anzugreifen, die anderen in Lebensgefahr helfen? Der Bochumer Kriminologe Thomas Feltes spricht von empathieunfähigen, perspektivlosen oder betrunkenen Menschen, die so etwas tun.

Die Gesellschaft muss ihren Helfern helfen
Foto: Sergej Lepke

Nach anderen Erklärungsansätzen wird die Feuerwehr als Feindbild missverstanden, als Teil der Obrigkeit. Jede Art von Uniform wirke aggressionsfördernd. Hinzu kämen kulturelle Konflikte.

Nun gibt es Schulungen für Hilfskräfte, wie man im Krisenfall zur Deeskalation beitragen kann. Doch die Helfer mit ihrer medizinischen oder technischen Qualifikation kommen aus ganz anderen Gründen zum Einsatzort. Aus Gründen, die keinen Zeitverlust dulden. Ihr Job kann nicht das Eindämmen von Aggression sein.

Hinzu kommt: Nach der aktuellen kriminologischen Studie der Uni Bochum sind gewalttätige Übergriffe auf Helfer selten vorhersehbar. So gaben die Betroffenen für 80 Prozent der körperlichen Übergriffe an, dass diese ohne Vorwarnung erfolgt seien. Eben dies zeigt, dass Deeskalationstrainings, wie sie Rettungskräften teilweise angeboten werden, oft nicht weiter helfen. Auch Schutzwesten können allenfalls in Einzelfällen hilfreich sein. In der Regel erfolgen die Angriffe auf die Rettungskräfte nicht mittels Schusswaffen oder Messern. Gleichwohl sollte man das gesteigerte Sicherheitsgefühl nicht unterschätzen, die eine Schutzweste dem einen oder anderen zu geben vermag.

Bedeutsamer ist etwas anderes: dass sich die Gesellschaft ohne Wenn und Aber zu den Berufgruppen bekennt, die für jeden von uns irgendwann einmal sehr wichtig werden können. Dabei ist es nicht damit getan, Strafgesetze zu verschärfen, wie es im vergangenen Jahr in eben diesem Bereich geschehen ist. Von dieser Strafrechtsreform dürfte kaum einer der Täter je gehört haben. Gesetze funktionieren nur, wenn sie auch durchgesetzt werden. Wenn Staatsanwälte solche Vorgänge nicht mangels öffentlichen Interesses einstellen. Nein, das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung ist gerade in diesen Fällen besonders groß. Nur durch konsequente Strafverfolgung werden auch diejenigen Hilfskräfte zur Strafanzeige ermuntert, die diese bislang aus Resignation unterlassen. Nur durch eine deutliche Sprache kann die Gesellschaft zeigen, dass sie solche Übergriffe nicht hinnimmt. Die Gesellschaft muss ihren Helfern helfen.

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