Meinung Deutschland ist nur statistisch sicherer

Deutschland wird immer sicherer. Die Zahl der erfassten Straftaten ist im Verhältnis zur Bevölkerungszahl so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr; die Aufklärungsquote steigt, es gibt weniger Diebstähle, weniger Einbrüche und Gewalttaten.

Auch die politisch motivierten Delikte sind leicht zurückgegangen. Was will man also mehr? Deutschland ist auf dem Weg zum Hort der Friedfertigkeit. Das alles ist freilich zu schön, um wahr zu sein.

Denn das Problem ist, dass viele Bürger die Kriminalitätslage völlig anders empfinden. Vergleichbar etwa mit der wirtschaftlichen Situation im Land: Die Konjunktur brummt seit Jahren, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie lange nicht mehr. Umstände, um die uns andere Länder beneiden. Und dennoch ist die Unzufriedenheit bei vielen Menschen groß. Weil solche Erfolge nicht automatisch die Realität in ihrer Gänze abbilden.

So ist es auch mit der Kriminalität: Das subjektive Empfinden beurteilt die Situation im Moment vielfach schlechter, als sie sich anhand der gestern von Innenminister Horst Seehofer vorgestellten Zahlen darstellt. Die Sicherheitsbehörden kooperieren endlich besser, viele Gesetze wurden verschärft und es wird härter und konsequenter durchgegriffen. Die öffentlichen Debatten um die zunehmende Verrohung, auch speziell um einzelne Deliktarten wie dem Wohnungseinbruch, haben der Politik Beine gemacht. Allerdings gibt es keinen Grund für Entwarnung, da hat Seehofer recht. Schließlich gibt es immer auch ein Dunkelfeld, welches die Statistik nicht erfasst. Und die nackten Zahlen beruhigen Menschen eben nicht, die in Brennpunkt-Stadtteilen leben.

Nicht die Taten allein sind daher das Gift für eine freie Gesellschaft und ihren Zusammenhalt. Es ist die Unsicherheit, die sich breitgemacht hat. Dagegen hilft nur Prävention durch Präsenz. Polizei muss im öffentlichen Raum wieder deutlich sichtbarer werden. Das bringt mehr Sicherheit, real und gefühlt. Dafür braucht es deutlich mehr Personal. Im Koalitionsvertrag versprechen Union und SPD Tausende neue Stellen bei den Sicherheitsbehörden. Wie die Koalition ihr Vorhaben im Zusammenspiel mit den Ländern umsetzen will, ist freilich noch offen. Und weil das so ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Statistik und persönliches Empfinden vieler Bürger auch weiterhin auseinanderklaffen werden. Bis die Personalversprechen eingelöst sind.

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