Der Schein und das Sein

Die Reise des Ehepaars zu Guttenberg birgt Risiken

Die jüngsten Bilder aus Afghanistan lassen den Betrachter zwiegespalten zurück. Da ist einerseits das derzeit wohl sympathischste Politiker-Ehepaar Deutschlands, das die beschwerliche wie gefährliche Reise an den Hindukusch auf sich nimmt. Das ist durchaus zu begrüßen, vor allem aus Sicht der dort stationierten Soldaten. Die befinden sich im Krieg, riskieren tagtäglich Leib und Leben für eine Sache, von der sie nicht wissen, ob dafür zu kämpfen sich lohnt.

Afghanistan tritt auf dem Weg in eine freie, tolerante Gesellschaft auf der Stelle. Präsident Karsai erweckt zunehmend den Eindruck, dass er der falsche Mann in dieser so wichtigen Funktion ist. Korruptionsgerüchte umwehen ihn, und im Nacken spürt er die radikalen Taliban.

In dieser Situation ist es geradezu zwingend, dass Politiker die deutschen Soldaten in Afghanistan besuchen. Jeder Gast sagt, dass die Truppen und deren schwierige Mission nicht vergessen sind. Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite mutet es seltsam an, dass Verteidigungsminister Guttenberg seine Frau auf eine derart gefährliche Reise mitnimmt. Das legt die Vermutung nahe, dass die Guttenbergs das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden. Werbung in eigener Sache kann ja nicht schaden.

Die Guttenbergs sind das Vorzeigepaar der Republik. Stephanie jagt im Privat-Fernsehen Pädophile, während ihr Ehemann die Bundeswehr im Husarenritt reformiert und dabei so viele Punkte sammelt, dass es per Direktwahl fürs Kanzleramt reichen könnte.

Auf der Klaviatur der Mediendemokratie spielen die Guttenbergs perfekt. Diese Töne hat der Freiherr schon als Wirtschaftsminister angeschlagen, als er auf dem Time Square für die Fotografen posierte. Nun spielt er Stakkato. Denn neben Stephanie ist auch Fernsehplauderer Kerner auf der Gästeliste in Afghanistan — TV-Interview inklusive.

All das geht gut, bis etwas schief geht. Dann tauchen die schönen Bilder unliebsam wieder auf. Das wird der Moment, in dem die Guttenbergs feststellen, dass derlei Inszenierungen in Amerika funktionieren mögen. Deutsche aber wählen nicht den Schein, sie wählen das Sein. Und das nicht erst, seit Gerhard Schröder nur mit „Bild, Bams und Glotze“ regieren wollte.

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