Den großen Bruder USA gibt es nicht mehr

Obamas Auftritt vor dem Brandenburger Tor riss nicht mit.

Nein, Barack Obama ist den Erwartungen vieler nicht gerecht geworden. Seine Rede vor dem Brandenburger Tor in Berlin vermochte nicht mitzureißen. Dabei trat der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sprachgewandt, nahbar und nett auf wie immer.

Er erweckte wieder den Eindruck, dass er meint, was er sagt. Misslich ist nur, dass er vieles mangels Mehrheit im Kongress nicht umsetzen kann. Deshalb existiert etwa das Gefangenenlager Guantánamo noch.

Es wird weiter existieren, obwohl Obama am Mittwoch ankündigte, sich doppelt für die Schließung einzusetzen. Folgenlose Ankündigungen schaden auch einem noch so sympathischen Präsidenten.

Aber das ist nicht der Grund dafür, dass sich in Berlin keine Obama-Manie einstellen mochte. Der US-Präsident, egal wie er heißt, ist geschrumpft. Der große Bruder von einst ist ein Partner geworden, ein Partner, dem Deutschland gleichzeitig mit Zuneigung und Distanz begegnet. Die Zeiten haben sich geändert.

Und deshalb war es Barack Obama von vornherein nicht vergönnt, in der Bundeshauptstadt eine große Rede zu halten. Seine Vorgänger John F. Kennedy und Ronald Reagan waren in Berlin, als die Mauer noch stand, als Deutschland noch unter dem Kalten Krieg litt. „Ich bin ein Berliner“ und „Mr. Gorbatschow, reißen Sie die Mauer ein“ konnte nur in jener Zeit gesagt werden.

Inzwischen ist Deutschland vereint, es braucht den Schutz der USA nicht mehr. Deutschland ist politisch in Europa eine Großmacht und wirtschaftlich eine Macht in der Welt. Also begegnet es den USA selbstbewusst, folgt ihnen, wo es nutzt, übt Kritik, wo es seine Freiheit, Interessen oder Rechte beeinträchtigt sieht.

All das ist nicht die Basis für dumpfe USA-Feindlichkeit, die sich in Deutschland zunehmend breitgemacht hat. Es ist vielmehr das Fundament dafür, mit den USA an den Zielen zu arbeiten, die Barack Obama am Mittwoch in der Gluthitze von Berlin aufgezeigt hat: Klimaschutz, Armutsbekämpfung, Abrüstung, Menschenrechte.

„Frieden mit Gerechtigkeit“ war die Kernaussage des Präsidenten. Eine schöne Vision. Und wahrscheinlich ist sie von Partnern auf Augenhöhe leichter zu verwirklichen, als vom großen mit dem kleinen Bruder.

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