Meinung Das Steuerplus und die gefühlte Realität der Bürger

Es ist ein sattes Steuerplus, das Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für die kommenden Jahre verbuchen kann. Auch Länder und Kommunen dürften nach den jüngsten Schätzungen überproportional von den sprudelnden Steuerquellen profitieren.

Meinung: Das Steuerplus und die gefühlte Realität der Bürger
Foto: Sergej Lepke

Zudem spielt den öffentlichen Haushalten die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank in die Hände. Der Schuldendienst hat sich dadurch massiv reduziert. Die guten Steuerzahlen kommen nicht überraschend angesichts der guten Konjunktur und der extrem hohen Beschäftigungsquote in Deutschland. Und doch passen sie nicht so recht zur Wahrnehmung und gefühlten Realität vieler Bürger — und das aus zwei Gründen.

Viele Kommunen in der Region ächzen unter einem enormen Schuldenberg. Ihr Handlungsspielraum ist aufgrund von Haushaltssicherungskonzepten extrem begrenzt. Sparen ist dort seit Jahren das Gebot der Stunde. Straßen sind marode, in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden bröckelt der Putz. Oft scheitern vom Land oder Bund geförderte Projekte daran, dass die Kommunen noch nicht einmal den Eigenanteil aufbringen können. Die Einwohner dieser Städte spüren also von den satten Einnahmen des Staates nicht viel — und das, obwohl das Land inzwischen vielen Kommunen finanziell unter die Arme greift. Die Folge: Unzufriedenheit und Politikverdrossenheit bahnen sich ihren Weg.

Gleichzeitig hat die große Koalition die Bürger steuerlich bisher nur sehr moderat durch die Anhebung von Grundfreibeträgen und Kindergeld sowie durch das Abschmelzen der kalten Progression entlastet. Und weitere Steuergeschenke, das hat Wolfgang Schäuble gestern klar gesagt, sind vorerst auch nicht zu erwarten.

Aus Sicht des Bundesfinanzministers eine offenkundig nachvollziehbare Entscheidung. Geschätzte sind noch keine gebuchten Einnahmen. Eine vorsichtige Haushaltsführung muss dies im Sinne solider Staatsfinanzen berücksichtigen. Und es ist richtig, in fetten Jahren Speck für magere Zeiten anzusetzen. Keiner weiß zudem, wie sich die Flüchtlingskrise entwickelt und welche finanziellen Risiken etwa durch die wieder akut gewordene Griechenland-Problematik drohen. Es drängt sich aber der Verdacht auf, dass sich Schäuble das Pulver einfach noch ein wenig trockenhalten will. Im kommenden Jahr wird gewählt — da dürfte das ein oder andere Wahlgeschenk noch fällig werden.

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