Christian Wulff und Affäre Nr. 3

Das Amt des Bundespräsidenten wird weiter beschädigt.

Eine Durchsuchung in Schloss Bellevue — das ist ein Novum in der deutschen Geschichte und ein weiterer Tiefpunkt in der Causa Christian Wulff.

Erst am Freitag musste das Volk mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen, dass ein Politiker den Bundespräsidenten einen „Lügner“ nennen darf, ohne dafür juristisch belangt zu werden.

Und nun wird öffentlich, dass Ermittler Akten und Computerdateien von Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker aus dem Bundespräsidialamt herausgetragen haben. Da muss zwangsläufig die Frage lauten: Finden sie auch belastendes Material gegen Wulff?

Nachdem in der Kredit- und Medienaffäre endlich so etwas wie Ruhe eingekehrt war, steckt der Mann, der das höchste Amt im Staate innehat, spätestens seit dem Wochenende mitten in einer Lobbyaffäre um den umstrittenen „Nord-Süd-Dialog“.

Ein pikanter und ebenso entlarvender E-Mail-Verkehr zwischen Glaeseker und dem Partymanager Manfred Schmidt, in dem sich die beiden gegenseitig mit „Schnulli“ (Glaeseker) und „Oberschnulli“ (Schmidt) anreden, zeigt, dass die Grenzen zwischen der damaligen niedersächsischen Regierung und der Wirtschaft überschritten worden sind — ob mit oder ohne Wissen Wulffs, mag noch dahingestellt sein.

Auch wenn beim Bundespräsidenten — wie bei jedem anderen — die Unschuldsvermutung gelten muss, so sind die Vorgänge für das Ansehen des Amtes gleichwohl fatal.

Andere Politiker haben in ähnlichen Situationen gehandelt. Nehmen wir Willy Brandt. Als Günter Guillaume, engster Mitarbeiter des damaligen Bundeskanzlers, als DDR-Agent enttarnt wurde, nahm Brandt seinen Hut — obwohl ihn keine Schuld an dem Skandal traf.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass immer mehr Bundesbürger das Amt des Bundespräsidenten beschädigt sehen. Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Wahlbeteiligung weiter sinkt. Affären fördern die Politikverdrossenheit, denn Eigenschaften wie Integrität und moralische Autorität sucht der Bürger oft vergebens.

Etwas wehmütig erinnert man sich jetzt an Wulffs viel gescholtenen Amtsvorgänger Horst Köhler. Er trat weiland zurück, weil er die Würde seines Amtes in Gefahr sah. Und nicht wegen der Angriffe gegen seine Person. Vielleicht sollte sich Wulff daran ein Beispiel nehmen.

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