Meinung Bamf-Skandal: Die Anschuldigungen sind Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten

"Der Bamf-Skandal ist nicht nur einer um ein Bundesamt, das jahrelang unter Insidern als „schlimmste Behörde Deutschlands“ gegolten hat. Der Skandal ist vielmehr auch einer, der ein Schlaglicht auf das Regierungshandeln in der Krise wirft; auf womöglich unüberlegtes und vor allem planloses Vorgehen." - Ein Kommentar von Hagen Strauß

Dass Frank-Jürgen Weise nicht kampflos hinnimmt, zum Hauptschuldigen für die Affäre rund um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgestempelt zu werden, verwundert nicht. Hier fürchtet jemand auch um seine berufliche Ehre. Der Blick zurück zeigt, warum: Weise war im Jahr 2015 vom Kanzleramt sozusagen als Retter in der Not bestellt worden. Zweifellos ein Mann mit Verdiensten; einer, der schon bei der Bundesagentur für Arbeit erfolgreich Reformarbeit geleistet hatte. Einen solchen profilierten Macher brauchten Kanzlerin Angela Merkel und ihre Getreuen dringend angesichts der gigantischen Herausforderungen, die damals im Zuge der Flüchtlingskrise zu bewältigen waren.

Weise hatte das regierungsamtliche Mandat, das Bamf fitzumachen — Schnelligkeit vor Gründlichkeit bei den Verfahren wurde zum Prinzip erhoben. Mit der Folge, dass massenhaft zu Unrecht Asylbescheide erteilt wurde. Wobei schon seinerzeit jeder gewusst haben konnte, mit welchen Problemen die Mitarbeiter im Bamf umgehen mussten. Mit Weises Amtsantritt potenzierten sie sich nur. Weil es politisch so verursacht gewesen ist. Dass andere sich nun in die Büsche schlagen wollen, liegt auf der Hand. Denn der Bamf-Skandal ist ja nicht nur einer um ein Bundesamt, das jahrelang unter Insidern als „schlimmste Behörde Deutschlands“ gegolten hat. Der Skandal ist vielmehr auch einer, der ein Schlaglicht auf das Regierungshandeln in der Krise wirft; auf womöglich unüberlegtes und vor allem planloses Vorgehen. Glaubt man Weise, war die Bamf-Misere dem Kanzleramt nämlich lange bekannt, angeblich auch spätestens ab 2017 der Kanzlerin.

(Ein Kommentar von Hagen Strauß)

Warum Merkel sich der Sache offenbar nicht angenommen hat, darüber kann man zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren: Sie mischt sich ungern in Ressortzuständigkeiten ein. Vor allem dann nicht, wenn es Probleme gibt. Und die Verantwortung für das Bamf liegt nun mal beim Innenministerium. Es ist aber an der Zeit, dass auch die Kanzlerin sich präzise erklärt. Denn die Affäre zieht immer weitere Kreise. Sie nützt jenen, die Angela Merkels humanitäre Flüchtlingspolitik für falsch halten. Sie ist Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten. Dagegen hilft nicht, wenn man schweigt und mit dem Finger auf Weise und den angeblich zweiten Hauptschuldigen zeigen lässt: den früheren Innenminister Thomas de Maizière. Was hilft, sind Klarheit und Offenheit. Das gilt auch für Merkel.

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